Versagung des Vorsteuerabzugs wegen Unterschreiten jährlicher Umsatzschwellen ist unionsrechtswidrig

EuGH-Urteil

Der EuGH hat mit Beschluss vom 7. März 2024 (C-341/22) über die Unionsrechtswidrigkeit von Regelungen zur Vorsteuerversagung entschieden. In dem Fall ging es um ein italienisches Unternehmen, welches über drei Jahre hinweg eine Umsatzschwelle nicht erreichen konnte und somit als „nicht-operativ“ galt. Dieser Zustand führte nach italienischem Recht zur Versagung des Vorsteuerabzugs.

Sachverhalt

Das italienische Unternehmen war in der Erzeugung und Vermarktung von Wein tätig. Das zuständige Finanzamt stufte es als ein nicht-operatives Unternehmen ein, da es eine nach italienischem Recht bestimmte Umsatzschwelle nicht erreichte. Diese Schwelle bemisst sich nach dem Umsatz, der bei dem Wert der Vermögensgegenstände erwartbar wäre. Als nicht-operatives Unternehmen besitzt man nicht die Möglichkeit der Vorsteuererstattung, sondern kann diese nur in die nachfolgenden Besteuerungszeiträume vortragen und mit der dort anfallenden Steuerschuld verrechnen. Ist man über drei Besteuerungszeiträume als nicht-operatives Unternehmen eingestuft, ist auch der Vortrag nicht mehr möglich und das Unternehmen besitzt keine Möglichkeit des Vorsteuerabzugs. Dieser Situation sah sich das italienische Unternehmen ausgesetzt.

Nach Klageerhebung verwies das höchste italienische Gericht den Fall an den EuGH mit der Frage, inwieweit das italienische Recht mit der Richtlinie vereinbar sei.

Entscheidung und Gründe

Der EuGH hat entschieden, dass die Eigenschaft der Steuerpflichtigkeit nach Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL nicht von einer gesetzten Umsatzschwelle abhängig sein kann. Zentrales Kriterium ist die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmers. Eine wirtschaftliche Tätigkeit würde hier auch bei Unterschreiten der Umsatzschwelle vorliegen. Somit lässt Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL keinen Ausschluss der Steuerpflichtigkeit durch eine Umsatzschwelle zu.

Weiterhin entschied das Gericht, dass Art. 167 MwStSystRL (Recht auf Vorsteuerabzug) sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Neutralität der nationalen Regelung entgegenstehen. Demnach kann der Vorsteuerabzug eben nicht versagt werden, wenn die steuerbaren Ausgangsumsätze durch eine festgelegte Umsatzschwelle als zu niedrig erachtet werden.

Zwar ist der Zweck der italienischen Regelung, die Missbrauchsbekämpfung, ein anerkanntes Ziel der Mehrwertsteuerrichtlinie. Jedoch muss eine Abweichung vom geltenden Recht (hier: Gewährung des Vorsteuerabzugs) objektiv begründet werden. Es fehlt hier an einer solchen Begründung, da der Ausschluss von nicht-operativen Unternehmen lediglich auf der Vermutung beruht, dass diese Unternehmen missbräuchlich handeln könnten.

Einordnung

Das deutsche Steuerrecht kennt keine Entsprechung zur italienischen Regelung, nach welcher die Vorsteuerversagung durch Umsatzschwellen bestimmt werden kann. Vielmehr lässt sich aus dem Urteil nochmals die zentrale Bedeutung des Vorsteuerabzugs für das europäische Mehrwertsteuersystem ableiten, die vom EuGH stets betont wird.
Die Anforderungen an Regelungen, die den Vorsteuerabzug einschränken, sind sehr hoch und die Regelung als solche muss einem legitimen, gut begründeten Zweck folgen.

 

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