Bearbeitungsgebühren im Zusammenhang mit Ausfuhrlieferungen
Der EuGH hat sich mit Urteil vom 1. August 2025 (C-427/23) zu Bearbeitungsgebühren im Zusammenhang mit Ausfuhrlieferungen geäußert.
Sachverhalt
Határ Diszkont verkaufte im Laufe des Jahres 2020 Waren an nicht in der Union ansässige Käufer. Diese führten die Waren noch am selben Tag aus. Nach der Ausfuhr erstattete Határ Diszkont den Käufern den gesamten auf der Rechnung ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrag. Für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung stellte sie den Käufern eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 15% der erstatteten Mehrwertsteuer in Rechnung. Die Einnahmen aus diesen Bearbeitungsgebühren wies sie in ihren Mehrwertsteuererklärungen als Entgelt für steuerbefreite Leistungen aus.
Bei einer Steuerprüfung für das Jahr 2020 machte Határ Diszkont geltend, dass die Leistungen der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung von der Steuer befreit seien, wobei sie aber mehrfach ihre Auffassung zum Grund für diese Befreiung änderte.
Die erstinstanzliche Steuerbehörde wies alle von Határ Diszkont geltend gemachten Befreiungsgründe zurück und stellte mit Bescheid einen Mehrwertsteuerrückstand fest. Dagegen legte Határ Diszkont Einspruch ein. Allerdings bestätigte die Rechtsbehelfsdirektion den Bescheid. Daraufhin erhob Határ Diszkont Klage auf Nichtigerklärung des Bescheids der Rechtsbehelfsdirektion mit Wirkung auf den Bescheid der erstinstanzlichen Steuerbehörde.
Entscheidung
Damit mehrere Einzelleistungen oder Handlungen eines Steuerpflichtigen als eine einheitliche Leistung angesehen werden können, muss die untrennbare Verbindung zwischen diesen notwendigerweise wechselseitig sein. Vorliegend hängt die Lieferung von Gegenständen, die erfolgt, bevor die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung abgeschlossen ist, aber in keiner Weise von dieser Dienstleistung ab. Auch lassen sich die Dienstleistung und die Lieferung voneinander trennen. Daher können sie nicht als so eng miteinander verbunden angesehen werden, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden. Zudem verfolgt die Dienstleistung gegenüber der Lieferung einen eigenständigen Zweck, weshalb sie nicht als Nebenleistung zur Lieferung angesehen werden kann. Sie fällt daher nicht unter die in Art. 146 Abs. 1 lit. e MwStSystRL vorgesehene Steuerbefreiung. Folglich stellt die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung eine eigenständige, unabhängige Dienstleistung dar, die mehrwertsteuerpflichtig ist.
Eine Erbringung von Dienstleistungen kann nur dann als „Umsatz im Zahlungsverkehr“ oder „Umsatz im Überweisungsverkehr“ i.S.v. Art. 135 Abs. 1 lit. d MwStSystRL eingestuft werden, wenn sie die rechtlichen und finanziellen Änderungen bewirkt, die die Übertragung einer Geldsumme auszeichnen. Dabei kommt es darauf an, ob durch den betreffenden Umsatz tatsächlich oder potenziell das Eigentum an den in Rede stehenden Geldern übertragen wird oder ob er die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer solchen Übertragung erfüllt. Határ Diszkont hat weder tatsächlich noch potenziell Eigentum an Geldern übertragen. Vielmehr hat sie die Mehrwertsteuerbeträge für die Käufe der Kunden in der Erwartung einbehalten, dass die Käufer ihr die Unterlagen über die Voraussetzungen für die vorgesehene Steuerbefreiung der Ausfuhren vorlegen würden. Somit ist die erbrachte Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung nicht als eine Finanzdienstleistung, sondern als administrative Leistung anzusehen. Daher fällt die Dienstleistung nicht unter die in Art. 135 Abs. 1 lit. d MwStSystRL genannten steuerbefreiten Umsätze.
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gehört zu den tragenden Grundsätzen der Union, auf den sich jeder berufen kann, bei dem eine Verwaltungsbehörde aufgrund bestimmter Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat. Das bloße Akzeptieren von Mehrwertsteuererklärungen, die die auf bestimmte Umsätze des Steuerpflichtigen entfallenden Beträge nicht enthielten, genügt nicht, um eine bestimmte Zusicherung der Steuerverwaltung dahin zu begründen, dass auf diese Umsätze keine Mehrwertsteuer anfällt und lässt somit auch kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen. Die unterlassene Mitteilung von Änderungen des Steuerrechts stellt ebenfalls keine „bestimmte Zusicherung“ dar, denn durchschnittliche umsichtige und besonnene Wirtschaftsteilnehmer sollten davon Kenntnis haben. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist mithin dahin auszulegen, dass er es der Steuerverwaltung nicht verwehrt, bestimmte Dienstleistungen der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, wenn sie die Mehrwertsteuererklärungen über mehrere Jahre hinweg geprüft und akzeptiert hat und den Steuerpflichtigen nicht über die Änderung der geltenden nationalen Rechtsvorschriften informiert hat.
Die Besteuerungsgrundlage für die Lieferung eines Gegenstands oder die Erbringung einer Dienstleistung ist die tatsächlich erhaltene Gegenleistung. Da nur der Endverbraucher durch das Mehrwertsteuersystem belastet werden soll, ist davon auszugehen, dass der vereinbarte Preis die Mehrwertsteuer enthält. Demzufolge ist der vorliegend vereinbarte Preis für die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung als Bruttopreis anzusehen, der die Steuer bereits enthält. Határ Diszkont hat nicht die Möglichkeit, die Mehrwertsteuer nachträglich auf ihre Kunden abzuwälzen, was zu einem Verstoß gegen den Grundsatz, dass es sich bei der Mehrwertsteuer um eine Verbrauchsteuer handelt, die vom Endverbraucher zu tragen ist, führen würde. Die Art. 73 und 78 MwStSystRL sind demnach dahin auszulegen, dass sie der Praxis der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die davon ausgeht, dass die Bearbeitungsgebühren Nettobeträge sind, in denen die Mehrwertsteuer nicht enthalten ist, wenn der Lieferer seine Leistung als steuerbefreit angesehen hat und es ihm offensichtlich unmöglich ist, den von der Steuerverwaltung geforderten Mehrwertsteuerbetrag von den Käufern nachträglich zurückzufordern.
Fazit
Bearbeitungsgebühren im Zusammenhang mit Ausfuhrlieferungen stellen keine Nebenleistung, sondern das Entgelt für eine eigenständige Leistung dar. Diese Leistung ist umsatzsteuerpflichtig.