Dreiecksgeschäft auch bei vier Wirtschaftsteilnehmern?
Das EuG hat mit Urteil vom 3. Dezember 2025 (T-646/24) entschieden, dass auch bei vier Wirtschaftsteilnehmern die Regelungen über Dreiecksgeschäfte Anwendung finden, wenn die Voraussetzungen des Art. 141 MwStSystRL erfüllt sind.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine slowenische Handelsgesellschaft, und die Republik Slowenien, vertreten durch das Finanzministerium Sloweniens, streiten über die Rechtmäßigkeit eines von der slowenischen Steuerverwaltung erlassenen Bescheids über die Berechnung der Mehrwertsteuer.
Die Klägerin erwarb in den Jahren 2015 und 2016 von in Deutschland registrierten Lieferanten Soja- und Rapstrester sowie Rapsöl, die sie an drei in Dänemark für Mehrwertsteuerzwecke erfasste Gesellschaften weiterverkaufte. Die Beförderung der Waren erfolgte unmittelbar aus Deutschland nach Dänemark und wurde von der Klägerin organisiert und bezahlt.
Im Rahmen eines Auskunftsersuchens stellte sich heraus, dass die dänischen Gesellschaften weder die Waren erworben noch die entsprechende Mehrwertsteuer entrichtet hatten, sie weder über Lagerhallen noch über Büros in Dänemark verfügten und es sich bei ihnen deshalb um säumige Wirtschaftsteilnehmer handelt.
Die von der Klägerin erworbenen Waren wurden an Lager oder Mischanlagen in Dänemark geliefert, wo sie im Namen der Gesellschaft dänischen Rechts ANC Group abgeholt wurden. Somit umfasste die Lieferkette vier Wirtschaftsteilnehmer aus drei verschiedenen Mitgliedstaaten.
Der slowenischen Steuerverwaltung zufolge war die Klägerin nicht berechtigt, die im slowenischen Recht vorgesehene Vereinfachungsmaßnahme zu nutzen, mit der sie die Pflicht zur Entrichtung der Mehrwertsteuer auf die drei dänischen Gesellschaften übertragen hatte. Auch war die slowenische Steuerverwaltung der Ansicht, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage in Höhe der in Dänemark entrichteten Mehrwertsteuer gehabt hat, da sie von ihrer Mitwirkung an Umsätzen, die auf die Begehung eines Mehrwertsteuerbetrugs gerichtet gewesen sind, Kenntnis hatte.
Den Einspruch der Klägerin wies das Finanzministerium zurück, woraufhin sie Klage beim Verwaltungsgericht Sloweniens erhob.
Entscheidung
Bei einem Dreiecksgeschäft wird der Gegenstand unmittelbar vom ersten Mitgliedstaat in den dritten Mitgliedstaat befördert. Dafür besteht eine Regelung, nach der der Zwischenerwerber, der im zweiten Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, von der Steuer befreit wird und die Besteuerung auf den Enderwerber im dritten Mitgliedstaat verlagert wird, wobei sich der Zwischenerwerber im dritten Mitgliedstaat nicht für Mehrwertsteuerzwecke erfassen lassen muss. Im Streitfall umfasste die Lieferkette vier anstatt drei Wirtschaftsteilnehmer. Allerding verlangt Art. 141 lit. c und d MwStSystRL weder, dass der Empfänger einer „anschließenden Lieferung“ die tatsächliche Verfügungsgewalt über den gelieferten körperlichen Gegenstand erlangt, noch, dass dieser körperliche Gegenstand physisch zu dieser Person befördert und/oder physisch von ihr in Empfang genommen wird. Vielmehr kommt es darauf an, ob über den Gegenstand verfügt werden kann. Diese Auslegung wird durch die Ziele der Ausnahmeregelung in Art. 42 und 141 MwStSystRL gestützt. Im Rahmen des innergemeinschaftlichen Erwerbs soll sichergestellt werden, dass der Enderwerber die Mehrwertsteuer schuldet. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass der Umsatz doppelt besteuert wird. Folglich sind die Regelungen für Dreiecksgeschäfte auch bei mehr als drei beteiligten Parteien anwendbar.
Darüber hinaus stellt das EuG klar, dass es für Art. 141 lit. c MwStSystRL unerheblich ist, ob ein Wirtschaftsteilnehmer, der die für Dreiecksgeschäfts vorgesehene Vereinfachungsmaßnahme nutzt, weiß, dass die betreffenden Gegenstände nicht physisch zu der Person befördert werden, an die die anschließende Lieferung bewirkt wird, sondern an ihren Kunden, an den sie diese Gegenstände weiterverkauft und der in demselben Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist wie der Wiederverkäufer.
Auch wird nochmal betont, dass eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt ist, sondern in solchen Fällen die Rechte versagt werden müssen. Dies dient dem Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er an einem Umsatz mitwirkte, der in eine von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer der Lieferkette begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Aus diesem Grund stellt die Versagung von Vorteilen, die sich aus der MwStSystRL ergeben, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundsätze der Neutralität, der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes dar.
Einordnung
Dieses Urteil entzieht Abschn. 25b Abs. 2 UStAE die Grundlage. Zurzeit wendet die deutsche Finanzverwaltung ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäfts nicht an, wenn es nicht unter den letzten drei Beteiligten stattgefunden hat. Es besteht lediglich die Möglichkeit, einen Billigkeitsantrag zu stellen. Dieses Vorgehen verstößt aufgrund der neuen Rechtsprechung jedoch gegen das Unionsrecht.
Wir führen aktuell ein Revisionsverfahren vor dem BFH unter dem Aktenzeichen V R 44/25 zu diesem Thema (Vorinstanz: FG Düsseldorf 1 K 2832/19 U). Das FG Düsseldorf hat einen Billigkeitsantrag bejaht.

