Kein Vertrauensschutz bei fehlender Gelangensbestätigung - innergemeinschaftliche Lieferung
Das Finanzgericht Niedersachsen hat mit Urteil vom 13. Mai 2025 (5 K 9/25) entschieden, dass sich der Lieferer einer innergemeinschaftlichen Lieferung bei fehlender Gelangensbestätigung nicht auf Vertrauensschutz berufen kann.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt einen Autohandel. In ihrer 2017 für das Streitjahr übermittelten Umsatzsteuer-Jahreserklärung berücksichtigte sie u.a. Lieferungen und sonstige Leistungen zum Regelsteuersatz und Vorsteuern. Daneben erklärte sie steuerfreie Umsätze aus innergemeinschaftlichen Lieferungen und aus Ausfuhrlieferungen.
Im Jahr 2017 übermittelte die Finanzverwaltung ein Amtshilfeersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern. Daraufhin richtete der Beklagte ein Auskunftsersuchen an die Klägerin und nahm deren Belege zur USt-Akte.
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für das Jahr 2016 traf der Prüfer Feststellungen zu den von der Klägerin als steuerfrei behandelten innergemeinschaftlichen Lieferungen. Zu diesen Lieferungen zählten auch Lieferungen an solche Abnehmer, deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) nur für kurze Zeit gültig war. Die Klägerin hatte jedoch in allen Fällen die Gültigkeit der USt-IdNr. überprüft, sämtliche Belege kopiert und aufbewahrt, Verbringensnachweise der Abholer vorgelegt und nachgewiesen, dass sämtliche Fahrzeuge nicht wieder in Deutschland zugelassen worden waren. Daher beanstandete der Prüfer die Behandlung als steuerfrei in den meisten Fälle nicht.
Nach seiner abschließenden Auffassung lagen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung dennoch nicht vor, da die Klägerin für bestimmte Lieferungen keine Gelangensbestätigungen der Abnehmer besaß. Zudem seien die Abnehmer in ihren Mitgliedsstaaten als sog. Missing Trader erfasst gewesen, sodass nicht objektiv feststand, dass die Fahrzeuge an den angeblichen Abnehmer in einen anderen Mitgliedsstaat gelangt waren. Mangels Gelangensbestätigung könne der Klägerin insoweit auch kein Vertrauensschutz gewährt werden.
Daraufhin erließ der Beklagte den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 2016. Gegen die Steuer- und Zinsfestsetzung legte die Klägerin Einspruch ein. Der Beklagte wies den Einspruch gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer insgesamt als unbegründet zurück, ohne zugleich über den Einspruch gegen die Zinsfestsetzung zu entscheiden.
Daraufhin erhob die Klägerin Klage gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer und der Zinsen, wobei sie die Klage gegen die Zinsfestsetzung zurücknahm.
Entscheidung
Die Klage ist teilweise begründet.
Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2016 ist rechtswidrig. Er ist im Umfang des Urteilsausspruchs zu ändern und die Klage im Übrigen abzuweisen.
Drei der Lieferungen der Klägerin sind steuerfrei. Zwar hat die Klägerin weder eine Gelangensbestätigung noch einen in § 17a Abs. 3 UStDV a.F. genannten Ersatzbeleg vorgelegt, dennoch ist der Senat aufgrund der beigebrachten amtlichen Auskünfte über die zeitnahe Zulassung der Fahrzeuge in den jeweils vereinbarten Bestimmungsländern davon überzeugt, dass die betreffenden Liefergegenstände jeweils vom Abnehmer in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden sind.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Für die weiteren Lieferungen hat die Klägerin den belegmäßigen Nachweis durch Vorlage einer Gelangensbestätigung oder einen ersatzweise in § 17a Abs. 3 UStDV a.F. genannten Beleg nicht geführt. Aufgrund dessen kann sie sich nicht auf ihren guten Glauben berufen, denn wer Lieferungen als steuerfrei behandelt, ohne den hierfür vorgeschriebenen Belegnachweis führen zu können, verletzt den Sorgfaltsmaßstab und kann sich nicht auf Vertrauensschutz nach Art. 6a Abs. 4 S. 1 UStG berufen.
Hinsichtlich eines letzten Fahrzeugs ist die Lieferung ebenfalls steuerpflichtig. Nach der Überzeugung des Senats ist der Inhalt des Frachtbriefs unrichtig. Daraus schließt der Senat, dass das Fahrzeug bereits am Tag der Abholung auf die abholende Person in Deutschland zugelassen worden ist. Der Frachtbrief enthält insoweit unrichtige Angaben. Auch ist die Klägerin nicht in ihrem guten Glauben an die Richtigkeit der in dem Frachtbrief enthaltenen Angaben geschützt, was u.a. daraus folgt, dass sie diesen erst zwei Jahre und drei Monate nach dem Verkauf bei der Frachtführerin angefordert hat. Zudem wirft der vorgelegte Frachtbrief Zweifel an der Vertretungsbefugnis der Person, die den Frachtbrief unterschrieben hat, auf.
Eine Vorlage an den EuGH zu der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob die Umsetzung des Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL durch § 6a UStG, §§ 17a ff. UStDV oder die Auslegung dieser Vorschriften durch den BFH gegen Unionsrecht verstoße, hält der Senat nicht für erforderlich.
Die Revision wurde nach der Beschwerde der Klägerin vor dem BFH zugelassen (V B 34/25).
Einordnung
Der BFH hat durch dieses Verfahren erneut Gelegenheit, die Anforderungen an den Vertrauensschutz und allgemeiner an das Handeln mit Sorgfalt genauer zu bestimmen. Dies hat ganz praktische Auswirkungen auf die Anstrengungen, die im Alltag eines Unternehmens umgesetzt werden müssen.

