Mehrwertsteuerbefreiung für Privatlehrer
Deutschland von Europäischer Kommission zur Einhaltung der Richtlinie aufgefordert
Die Europäische Kommission hat Deutschland im Wege eines Vertragsverletzungsverfahrens dazu aufgefordert, seine bisher bestehenden Regelungen für die Mehrwertsteuerbefreiung des Schul- und Hochschulunterrichts von Privatlehrern dem europäischen Recht anzugleichen (Meldung der Europäischen Kommission).
Hier geht es um Vorgabe des deutschen UStG, dass Privatlehrer oder -schulen, welche die Umsatzsteuerbefreiung in Anspruch nehmen möchten, eine Bescheinigung bei der zuständigen Landesbehörde einholen müssen. Die Bescheinigung muss beweisen, dass die erbrachten Unterrichtsleistungen auf einen Beruf oder eine staatlich abzulegende Prüfung vorbereiten.
Nach Ansicht der Kommission widerspricht dieses Verfahren der EU-rechtlichen Vorgabe und stellt ein unionsrechtswidriges Hindernis auf, das die Wahrnehmung der Steuerbefreiung durch Berechtigte erschwert.
Was fällt unter „Privatlehrer“?
Ein Privatlehrer ist insoweit von einem angestellten oder verbeamteten Lehrer abzugrenzen, als er seine Unterrichtsleistungen selbstständig, auf eigene Verantwortung und gegen Honorar erbringt. Unerheblich ist hier, wer der Vertragspartner ist (Institution oder Teilnehmende).
Was ist „Schul- und Hochschulunterricht“?
Der Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ ist etwas weiter zu verstehen, als man zunächst annehmen mag. Die Unterrichtseinheiten müssen sich auf diesen Schul- und Hochschulunterricht lediglich beziehen und ihn im Kern darstellen, aber nicht immer explizit abbilden. So fallen – nach deutschem Recht – außer schulischen Inhalten auch berufliche Aus- und Fortbildungen unter die Definition.
Hier unterscheidet sich die unionsrechtliche Auffassung von der des deutschen UStG, da nach Unionsrecht eine Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen vorliegen muss, die keine reine Freizeitgestaltung ist. Hier wurde vom EuGH beispielsweise eine private Fahrschule von der Steuerbefreiung ausgeschlossen, da diese zu spezialisiert sei und nicht den Charakter von allgemeiner Schul- und Hochschulbildung widerspiegelt.
Nach deutscher Rechtsauffassung ist zu unterscheiden, ob man als Privatlehrer innerhalb einer Bildungseinrichtung tätig ist oder ob man selbstständig lehrt.
- Eingliederung: wenn die Einrichtung keine amtlich zugelassene Bildungseinrichtung (Gymnasium, Schule, Universität), also eine private Schule ist, benötigt sie eine Bescheinigung der Landesbehörde und ist dadurch berechtigt, einem Privatlehrer eine Bestätigung über die Lehrtätigkeit und somit für die Steuerbefreiung auszustellen.
- Selbstständig: Wer selbstständig lehrt (z.B.: Tanzschule), muss selbst die Bescheinigung bei der Landesbehörde beantragen und dabei darlegen können, dass die lehrende Tätigkeit berufs- oder prüfungsvorbereitend für die Teilnehmenden ist (z.B. Unterricht der Teilnehmer mit dem Ziel, professionellen Tanzsport zu betreiben; nicht: Tanz als Freizeitgestaltung, z.B. Tangokurs).
Was bedeutet das?
Deutschland sieht sich dazu aufgefordert, den Auflagen der Europäischen Kommission Folge zu leisten. Andernfalls kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof einschalten, welcher befugt ist, im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens Sanktionen gegen Deutschland zu verhängen, wenn das Gesetz nicht angepasst wird.
Die Anpassung an die europäische Richtlinie würde vor allem bedeuten, dass die Beantragung der Bescheinigung entbehrlich wird. Das scheint zunächst Bürokratie und Arbeits- und Überwachungsaufwand zu ersparen, zumal die Vergabe der Bescheinigung abhängig vom Landesrecht ist. Es ist in der Regel schon eine Herausforderung, die zuständige Behörde zu ermitteln, die für die Erteilung der Bescheinigung zuständig ist.
Auf der anderen Seite bietet die Bescheinigung Rechtssicherheit. Sie ist Grundlage für die Gewährung der Steuerbefreiung. Die Finanzverwaltung darf den Inhalt der Bescheinigung nicht in Frage stellen.
Solange es die Bedingung der Bescheinigung noch gibt, kann Beanstandungen seitens des Finanzamts noch in der Weise begegnet werden, dass die entsprechende Bescheinigung eingeholt wird. Das ist grundsätzlich auch rückwirkend möglich. So lassen sich nachträgliche Belastungen vermeiden, sofern das Finanzamt die Steuerbefreiung versagen will und übersehen wurde, eine Bescheinigung zu beantragen. Im Rahmen beruflicher Fortbildung wurde allerdings bereits um die Erteilung solcher Bescheinigungen vor den Verwaltungsgerichten gestritten, aus denen ebenfalls keine einheitliche Linie hervorgeht, zumal die im Einzelfall unterrichteten und in der Rechtsprechung gewürdigten Lerninhalte sehr unterschiedlich sind.
In jedem Fall ist natürlich entscheidend, ob die Art des Unterrichts die Voraussetzungen der Steuerbefreiung auch im Übrigen erfüllt. Diese Voraussetzungen sind momentan angesichts der voneinander abweichenden Rechtsprechung des EuGH und der deutschen Gerichte sehr unklar. Die unionsrechtliche Auslegung von „Schul- und Hochschulunterricht“ wurde in den letzten Jahren enger gefasst und kann nun insbesondere im Bereich beruflicher Bildung durch „Privatschulen“ zur Versagung der Steuerbefreiung führen, während das deutsche Recht und die Praxis der Finanzverwaltung weiter sind.
Berater sind dazu angehalten, die Mandanten auf das Einholen der Bescheinigung hinzuweisen und so für den Mandanten für Rechtssicherheit zu sorgen. Wenn Mandanten zu einer betroffenen Gruppe (insbesondere „Privatlehrer“ und „private“ Institutionen im Bereich beruflicher Fort- und Weiterbildung oder von Kursen im Grenzbereich zur Freizeitgestaltung) gehören, müssen sie darauf vorbereitet werden, dass sie ihre Leistungen künftig möglicherweise nicht mehr umsatzsteuerfrei erbringen können. Dafür ist der weitere Verlauf des Vertragsverletzungsverfahrens und die Entwicklung der deutschen Gesetzgebung ausschlaggebend und müssen beobachtet werden. Eine Neuregelung der Steuerbefreiung mit dieser Folge war vor einigen Jahren schon beschlussfertig (JStG 2019), ist aber im Gesetzgebungsverfahren doch noch verhindert worden.
In Einzelfällen muss erwogen werden, dass sich die „private“ Bildungseinrichtung unmittelbar auf die europäische Richtlinie beruft. Dann ist auch keine Bescheinigung nach deutschem Recht erforderlich. Es müssen aber die Voraussetzungen gemäß der Rechtsprechung des EuGH erfüllt sein, die noch nicht in allen Details ausgeurteilt sind.
Zielführend wird es in diesen Fällen in der Regel sein, zunächst mit der deutschen Finanzverwaltung eine Lösung zu finden.
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