Steuerbefreiung für Leistungen von Persönlichkeitstrainern an Schulen
FG Berlin-Brandenburg
Über die Steuerbefreiung von Lehrern oder Privatlehrern an Schulen herrscht in Deutschland große Unsicherheit. Die vielschichtige Rechtsprechung seitens des BFH und des EuGH und die mehrdeutig formulierte Vorschrift des § 4 Nr. 21 UStG schaffen Unklarheit, welche Leistungen als „Lehrer“ unter die Steuerbefreiung fallen. Das FG Berlin-Brandenburg äußerte sich am 17. Januar 2024 (7 K 7342/16) zu der Konstellation, in der ein privater Präventions- und Persönlichkeitstrainer an Schulen Kurse gab und die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen wollte.
Sachverhalt
Der Kläger war Präventions- und Persönlichkeitstrainer in einem Verein, der neben ihm noch andere Mitglieder besaß, die ebenfalls Kurse anboten.
Er führte diese Kurse an Schulen durch. Dabei beauftragten ihn die jeweiligen Eltern, gegenüber denen er auch die Rechnungen für die Kurse erstellte. Meist wurde die Gebühr direkt von den Eltern bezahlt, sie konnte aber auch über die Schule abgerechnet werden.
Im Streitjahr 2010 wurden vom Kläger sowohl Klassenprojekte, die während der Schulzeit und teilnahmeverpflichtend durchgeführt wurden, als auch sogenannte „offene Kurse“ ohne Teilnahmeverpflichtung veranstaltet. In dem Streitjahr wurden die Kurse nicht vom Kläger persönlich, sondern von weiteren Mitgliedern des Vereins (Subunternehmer) an einer Grundschule durchgeführt. Er selbst war aber als leistender Unternehmer anzusehen. Die Eltern übernahmen hier die Kosten.
Der Kläger wertete die Umsätze aus den Kursen als steuerbefreit nach § 4 Nr. 21 UStG, währenddessen das Finanzamt sie für steuerpflichtig hielt.
Nachdem das Verfahren bereits im ersten Rechtsgang in Revision an den BFH ging, wurde der Sachverhalt nun nochmals an das FG zurückverwiesen, um den Streitfall endgültig zu klären.
Entscheidung und Gründe
Bei diesem Sachverhalt kamen sowohl die deutschen Vorschriften des § 4 Nr. 21, 23 UStG als auch die europarechtlichen Äquivalente nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, j Mehrwertsteuersystemrichtlinie für eine mögliche Steuerbefreiung infrage. Nach Ansicht des Gerichts sind diese wie folgt einschlägig:
- § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG:
Die Befreiungsvorschrift zielt auf landesrechtlich bescheinigte Ersatzschulen ab.
Der Kläger agiert hier aber nicht als solche und konnte auch keine Bescheinigung vorweisen.
- § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG:
Die Befreiung ist einschlägig, wenn unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen durchgeführt werden.
Dabei bezieht sich „unmittelbar“ nicht direkt auf den Inhalt, sondern auch auf die Art und Weise des Vortrags. Da die Kurse im Streitjahr von verschiedenen Subunternehmern und nicht vom Kläger selbst durchgeführt wurden, ist hier eine Unmittelbarkeit auszuschließen.
- § 4 Nr. 23 UStG:
§ 4 Nr. 23 UStG befreite in seiner Fassung bis 2020 Leistungen wie Beherbergung oder Verpflegung von Jugendlichen oder ähnlichen Gruppen in geeigneten Einrichtungen von der Steuer.
Die Erteilung von Unterricht ist nicht von § 4 Nr. 23 UStG umfasst.
- Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL:
Dieser Artikel der Mehrwertsteuersystemrichtlinie befreit von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht.
Auch hier scheitert es daran, dass die Kurse nicht vom Kläger selbst, sondern von Subunternehmern durchgeführt wurden.
- Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL:
Demnach ist die Erziehung von Kindern durch Einrichtungen, die die Erbringung solcher Aufgaben als Zielsetzung haben, steuerbefreit.
Kurse zur Persönlichkeitsentwicklung fallen unter den Begriff der Erziehung als „die gesamte geistige, sittliche und körperliche Erziehung“.
Eine Einrichtung kann auch eine natürliche Person sein, hier gibt es keine besonderen Voraussetzungen. Da die Schulen den Kläger als Kursleiter akzeptieren, ist hier von einer Einrichtung auszugehen.
Die Leistungen des Klägers fallen somit unter die Befreiung.
Einordnung
Das FG schließt sich hier dem Tenor des vorangegangenen Revisionsurteils des BFH an und wendet die Steuerbefreiung an. Dabei beschreibt es einen „Umweg“, wie die hohen Anforderungen der europarechtlichen Auslegung des „Schul- und Hochschulunterrichts“ erfüllt werden können. Diese erfordern nämlich die Vermittlung eines breiten und vielfältigen Spektrums an Wissen, welche für einen einzelnen Privatlehrer meist unmöglich abzubilden ist.
Die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL ist für „Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“ einschlägig. Für die Anerkennung als Einrichtung mit einer solchen Zielsetzung reicht als Voraussetzung die Kostenübernahme oder auch finanzielle Unterstützung durch staatliche Stellen, bspw. durch eine Schule.
Der § 4 Nr. 23 UStG wurde im Jahr 2020 neu gefasst. Nachdem er vorher nur Beherbergungs- und Beköstigungsleistungen umfasste, ist ihm im Zuge der Anpassung auch die Erziehung von Kindern als Fallgruppe hinzugefügt worden. Damit setzt er den Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, 133 MwStSystRL ins deutsche Recht um. Die Befreiung hat aber nun die Voraussetzung, dass die Erziehungsleistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben erbracht werden müssen.
Damit fallen alle gewerblichen Anbieter von solchen Leistungen aus der Steuerbefreiung heraus und auch die direkte Berufung auf die Unionsvorschrift wird dadurch erschwert.
Das Urteil ist ebenfalls im Lichte des Entwurfs zum Jahressteuergesetz 2024 zu betrachten. Dieser will den § 4 Nr. 21 UStG an die europarechtlichen Vorschriften angleichen. Ergebnis hiervon wäre bspw. der Wegfall der Bescheinigungspflicht und die Aufnahme des europarechtlichen Begriffs des „Privatlehrers“ ins deutsche Gesetz. Das würde unter anderem zur Folge haben, dass viele Leistungen, die momentan als steuerfrei zu behandeln sind, steuerpflichtig werden. Das kann diesem Urteil wieder erhöhte Bedeutung geben.
Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form die Änderungen im endgültigen Gesetz umgesetzt werden. Berater von Unternehmern, die Bildungsleistungen anbieten, müssen ihre Mandanten auf die möglichen Änderungen aufmerksam machen.