Steuerfreie Tarifoptimierung von Versicherungsverträgen
Der BFH hat mit Urteil vom 8. Juli 2025 (XI R 7/23) entschieden, dass die Vermittlung von kostengünstigeren Krankenversicherungsverträgen ohne Wechsel des Versicherers nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfrei ist.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, ist darauf spezialisiert, bestehende private Krankenversicherungsverträge zu optimieren. Im Wesentlichen geschieht dies dadurch, dass durch einen Tarifwechsel eine Beitragsersparnis für privat krankenversicherte Kunden erzielt wird, ohne dabei den Versicherer zu wechseln. Hierzu recherchiert und vergleicht die Klägerin für ihre Kunden, die sie im Wesentlichen durch Werbung im Internet gewinnt, die verfügbaren Tarife und Tarifoptionen ihres Versicherers, stellt diese vor und übernimmt das weitere Prozedere des Tarifwechsels gegenüber den Versicherern. Im Erfolgsfall erhält die Klägerin eine Provision von den Kunden, die sich nach der Ersparnis aufgrund des Tarifwechsels errechnet.
Die mit der Tarifoptimierung erzielten Umsätze erklärte die Klägerin für die Jahre 2015 und 2016 zunächst als steuerpflichtig, ohne Umsatzsteuer in ihren Rechnungen gesondert ausgewiesen zu haben.
Am 12. Juni 2020 beantragte die Klägerin, die Umsatzsteuerfestsetzungen unter anderem für die Streitjahre zu ändern, da die Umsätze aus der Tarifoptimierung nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfrei seien.
Das Finanzamt (FA) ließ bei der Klägerin eine Außenprüfung durchführen. Danach sah es die Umsätze aus der Tarifoptimierung weiterhin als steuerpflichtig an und setzte mit Änderungsbescheiden vom 28. April 2021 die Umsatzsteuer fest. Die Einsprüche blieben erfolglos.
Das FG gab der Klage statt. Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 4 Nr. 11 UStG.
Entscheidung
Die Revision des FA ist unbegründet. Die Klägerin, die nach den Feststellungen des FG keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen hat und diese demnach nicht gemäß § 14c Abs. 1 UStG schulden kann, hat mit der Vermittlung optimierter Versicherungstarife steuerfreie Umsätze ausgeführt.
Nach Unionsrecht setzt die Steuerbefreiung von Versicherungs- und Rückversicherungsumsätzen einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen voraus, dass der Dienstleistungserbringer sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherten in Verbindung steht, und seine Tätigkeit muss wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit, wie Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen, umfassen. Beides hat das FG im Streitfall zutreffend bejaht.
Entgegen der Auffassung des FA war die Tätigkeit der Klägerin in für die Versicherungsvermittlung typischer Weise durch ein Auftreten im Interesse beider Vertragsparteien geprägt. Während die Versicherten von günstigeren Tarifoptionen profitierten, konnten die Versicherer zugleich ihre Bestandskunden halten. Der von der Klägerin ermöglichte Wechsel in einen anderen Tarif – anstelle einer Kündigung und eines Wechsels zu einem neuen Versicherer – diente somit nicht nur den Interessen der Kunden, sondern ebenso denen der Versicherer, da er eine langfristige Kundenbindung förderte.
Aus diesem Grund geht das BMF zu Recht davon aus, dass auch sogenannte Bestandspflegeleistungen berufstypisch und somit nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfrei sind. Selbst aus der Sicht der Finanzverwaltung kann daher für die Tarifoptimierung nichts anderes gelten. Warum dies für die Klägerin nicht gelten sollte, vermochte der Senat nicht zu erkennen.
Auch hat das FG zutreffend festgestellt, dass zwischen der Optimierung von bestehenden Verträgen und der Vermittlung neuer tarifgünstigerer Versicherungsverträge eine Wettbewerbssituation besteht. Andernfalls müsste die Klägerin ihren Kunden zu einem Wechsel des Versicherers raten, um ein umsatzsteuerrechtlich günstigeres Ergebnis zu erzielen – ein Schritt, der für den Kunden mit erheblichen Nachteilen verbunden sein könnte. Der Grundsatz der umsatzsteuerlichen Neutralität gebietet daher, diese gleichartigen und miteinander in Wettbewerb stehenden Dienstleistungen umsatzsteuerlich gleich zu behandeln.
Soweit das FA geltend macht, ein Zusammenbringen von Vertragsparteien als wesentliches Merkmal der Versicherungsvermittlungstätigkeit liege nicht vor, "weil etwas, das bereits zusammen sei, denklogisch nicht mehr zusammengebracht werden" könne, folgt der Senat dem nicht. Es genügt den Anforderungen der Steuerbefreiung, wenn Vertragspartner durch den Abschluss von Änderungsvereinbarungen erneut zusammenkommen. Ein erstmaliges Zusammenbringen ist nicht verlangt.
Einordnung
Die Entscheidung ist sehr hilfreich für die Branche der Versicherungsvertreter und -makler. Der BFH stellt erstmals klar, dass die "Bestandspflegeleistungen" steuerbefreit sind - so wie es der UStAE bereits regelt. Überraschenderweise - und für die Klägerin mehr als lästig - hat das Finanzamt hier gegen den verwaltungseigenen Erlass gehandelt. Umso mehr ist der Klägerin zu danken, das Verfahren geführt zu haben. Der BFH hatte so außerdem Gelegenheit, die Merkmale der Tätigkeit eines Versicherungsvertreters/-maklers noch einmal ausdrücklich klarzustellen und definiert diese genauer.

