Steuerfreiheit von Betreuungs- und Pflegeleistungen
Der BFH hat mit Urteil vom 30. April 2025 (XI R 25/24) entschieden, dass Betreuungs- und Pflegeleistungen, die aus dem Persönlichen Budget bestritten werden, steuerfrei sind.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, die den Geschäftsbetrieb der A übernommen hat und Menschen mit Behinderung betreut. Mit dem Finanzamt streitet sie darüber, ob ihre Leistungen, die der jeweilige Leistungsempfänger aus seinem Persönlichen Budget nach § 29 SGB IX bezahlt, umsatzsteuerfrei sind.
Die betreuten Personen (Budgetnehmer) beantragen beim zuständigen Leistungsträger (Budgetgeber) ein Persönliches Budget, das ihnen ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglichen soll. Im Rahmen der abgeschlossenen individuellen Zielvereinbarung wurde die Klägerin als Leistungserbringerin genannt und es wurden die Budgethöhe sowie die Mittelverwendung festgehalten. Zudem ist die Klägerin verpflichtet, dem Budgetgeber mitzuteilen, welche ihrer Mitarbeiter den Budgetnehmer begleiten, und übermittelt entsprechende Ausbildungsnachweise.
Bis einschließlich 2019 wurde das Persönliche Budget direkt an A überwiesen. Aus diesem Grund sah das Finanzamt die Leistungen der A als umsatzsteuerfrei an. Seit dem Streitjahr 2020 wird das Persönliche Budget an die Budgetnehmer ausgezahlt, die die Geldmittel im Rahmen der getroffenen Zielvereinbarung frei verwenden.
Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Leistungen nach § 4 Nr. 16 lit. l UStG a.F. umsatzsteuerfrei seien und wies in ihren Rechnungen keine Umsatzsteuer aus. Nachdem sie dem Finanzamt im Juli 2020 mitgeteilt hatte, dass sie von der Steuerfreiheit der von ihr erbrachten Leistungen ausgehe, wurde sie zur Einreichung einer Umsatzsteuererklärung aufgefordert. In ihrer Erklärung vom März 2021 erklärte sie ihre Umsätze als steuerbar und steuerpflichtig, rechnete jedoch die Umsatzsteuer aus den vereinnahmten Beträgen heraus und zog Vorsteuer ab. Anschließend erhob sie Sprungklage, der das Finanzamt zustimmte. Das FG wies die Klage ab, woraufhin sie Revision einlegte.
Entscheidung
Nach § 4 Nr. 16 S. 1 lit. l UStG a.F. sind Pflege- und Betreuungsleistungen umsatzsteuerfrei, wenn sie von spezialisierten Einrichtungen erbracht werden, bei denen im Vorjahr in mindestens 25% der Fälle die Kosten ganz oder überwiegend von öffentlichen Trägern (z.B. einer Krankenkasse oder Sozialhilfeträgern) übernommen wurden.
Diese Regelung beruht auf Art. 132 Abs. 1 lit. g MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten die Dienstleistungen von der Umsatzsteuer befreien, die eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind. Im Rahmen dieses Ermessens hat Deutschland die o.g. 25% Grenze festgelegt. Die Klägerin hat jedoch nicht in mindestens 25% der Fälle die Zahlung unmittelbar von einem in § 4 Nr.16 lit. l UStG a.F. genannten gesetzlichen Träger, sondern vom Leistungsempfänger selbst im Rahmen seines persönlichen Budgets erhalten. Das Vorbringen der Klägerin, dass ihre Leistungen dem Allgemeinwohl dienen, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn nur die in Art. 132 MwStSystRL genannten Tätigkeiten sind steuerfrei.
Jedoch sind Leistungen nach § 4 Nr. 16 S. 1 lit. k bzw. l UStG a.F. steuerfrei, wenn sie „vergütet worden sind“. Dies setzt voraus, dass der Kostenträger die Kosten bereitwillig tragen will und sich explizit für die Leistung dieses Leistungserbringers entscheidet. Vorliegend ist eine Zielvereinbarung zwischen dem Budgetnehmer und Budgetgeber mit namentlicher Erwähnung des Leistungserbringers (der Klägerin) gegeben. Die Entscheidung zur Kostenübernahme ist damit explizit. Somit ist die Sozialgrenze überschritten und die Umsätze sind steuerfrei.