Vertrauensschutz bei der Differenzbesteuerung
Der BFH hat dem EuGH eine Frage zur Prüfung des Vertrauensschutzes bei der Differenzbesteuerung zur Vorabentscheidung vorgelegt (XI R 23/24).
Sachverhalt
Die Klägerin vertreibt als Online-Händlerin u.a. Schmuck und Uhren im Einzel- und Großhandel. In den Streitjahren 2013 und 2014 wendete sie teilweise die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG (Art. 311 ff. MwStSystRL) an.
Das Finanzamt nahm nach einer Außenprüfung an, die Klägerin habe bei dem Weiterverkauf bestimmter Uhren zu Unrecht die Differenzbesteuerung in Anspruch genommen. Bei den im Streit stehenden Ankäufen seien die Verkäufer ihrerseits nicht zur Anwendung der Differenzbesteuerung berechtigt gewesen. Es habe sich um Neuware gehandelt. Ein Nachweis über den Ankauf von Gebrauchtuhren liege nicht vor. Das FA unterwarf die streitbefangenen Umsätze daher der Regelbesteuerung. Die erhobenen Einsprüche wies das Finanzamt als unbegründet zurück.
Die Klage hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg. Nachforschungen hätten ergeben, dass die Vorlieferanten zu Unrecht in ihren Rechnungen an die Klägerin angegeben hätten, dass die Besteuerung nach § 25a UStG erfolgt sei. Auf den guten Glauben der Klägerin komme es im Festsetzungsverfahren nicht an. Vertrauensschutz sei nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern allenfalls im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO zu gewähren.
Die Klägerin ist hingegen der Meinung, es verstoße gegen das unionsrechtliche Effektivitätsgebot, sie mit ihrem Vertrauen auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Differenzbesteuerung auf das Billigkeitsverfahren zu verweisen.
Ausführungen des BFH
Soweit das UStG selbst den Schutz des guten Glaubens bzw. des Vertrauens vorsieht, wird dieser bereits im Rahmen der Steuerfestsetzung gewährt (§ 6a Abs. 4 S. 2, § 13b Abs. 5 S. 8 UStG). Ist ein solcher Schutz gesetzlich hingegen nicht vorgesehen, wird der gute Glaube des Steuerpflichtigen lediglich im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens berücksichtigt.
Beruft sich der Steuerpflichtige bereits im Festsetzungsverfahren auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes, ist die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Abs. 2 AO jedoch regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden. Dies ist im Streitfall jedoch unterblieben.
Für die Differenzbesteuerung sieht § 25a UStG keinen Schutz des guten Glaubens vor.
Würde der BFH seiner bisherigen Rechtsprechung konsequent folgen, wäre der Auffassung des Finanzgerichts zu folgen und es käme mangels einer gesetzlichen Normierung nicht auf die Gutgläubigkeit der Klägerin an. Allerdings hat der BFH bislang offengelassen, wie sich Gutgläubigkeit auf die Differenzbesteuerung auswirkt, da in den bisherigen Fällen die Klägerseite nicht gutgläubig war.
Es stellt sich daher die Frage, ob Art. 314 MwStSystRL unter Beachtung des Effektivitätsgebots einer nationalen Praxis entgegensteht, die einen guten Glauben des Wiederverkäufers an die Erfüllung der Voraussetzungen der Differenzbesteuerung außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens berücksichtigt.
Der Senat neigt zu der Annahme, dass die Nichtberücksichtigung von Vertrauensschutzfragen im Rahmen der Steuerfestsetzung bei der Differenzbesteuerung dem Steuerpflichtigen ein zusätzliches Verfahren zumutet, das aufgrund seiner Länge, Komplexität und Kosten mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist und die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte im Sinne der EuGH-Rechtsprechung übermäßig erschwert.