Voraussetzungen der Untätigkeitsklage bei unterbliebener Entscheidung des Finanzamts

Das Finanzgericht München hat sich mit Urteil vom 6. August 2024 (12 K 254/18) zu den Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage geäußert, wenn das Finanzamt trotzt Einlegung des Einspruchs nach Ablauf einer angemessenen Frist keine Entscheidung erlassen hat.

Sachverhalt

Die Klägerin (C & B GbR) beteiligte sich im Jahr 2008 als Kommanditistin an der Lux-KG mit einem Anteil von 1000/1001. Im Jahr 2011 gab sie eine Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2010 ab. Im August 2012 ordnete der Beklagte (das Finanzamt) eine steuerliche Außenprüfung an. Die Betriebsprüfer vertraten die Auffassung, die ausländischen Einkünfte seien nicht nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfreie Einkünfte unter dem Progressionsvorbehalt.

Am 26. September 2017 erging ein Änderungsbescheid, in dem die nach DBA steuerfreien Einkünfte mit 0 EUR festgestellt wurden. Die Klägerin erhob Einspruch und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Über den Einspruch hat der Beklagte noch nicht entschieden; die Aussetzung der Vollziehung wurde gewährt.

Gegen diesen Änderungsbescheid richtet sich die als Untätigkeitsklage erhobene Klage im vorliegenden Verfahren. Begründet wird die Klage damit, dass eine Änderung oder Aufhebung im Jahr 2017 nicht mehr zulässig gewesen sei. Die mit Ablauf des Jahres 2011 beginnende Festsetzungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2015 geendet und eine Ablaufhemmung für diese Besteuerungsgrundlage sei nicht eingetreten. Der Fristablauf sei auch nicht durch die Außenprüfung gehemmt gewesen.

Entscheidung

Das Finanzgericht München hat sich wie folgt zu den Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage geäußert:

  1. Nach § 44 Abs. 1 FGO ist in Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, eine Klage beim FG regelmäßig nur nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens über jenen Rechtsbehelf zulässig.
  2. Ist aber über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (§ 46 Abs. 1 S. 1 FGO).
  3. § 46 Abs. 1 S. 1 FGO verlangt die Mitteilung eines zureichenden Grundes fßr das Ausbleiben der Rechtsbehelfsentscheidung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist vor der Klageerhebung.
  4. Eine besondere Form ist fßr die Mitteilung des Grundes fßr die VerzÜgerung in § 46 Abs. 1 FGO nicht vorgeschrieben. Sie muss deshalb nicht notwendig schriftlich erfolgen.
  5. Ein zureichender Grund kann in der Durchführung einer regulären Außenprüfung oder Steuerfahndungsprüfung liegen, wenn umfangreiche Sachverhaltsermittlungen notwendig sind, die sich sachgerecht nicht an Amtsstelle durchführen lassen, und die Prüfung zeitnah angesetzt wird (BFH-Beschluss vom 9. April 1968 I B 48/67, BFHE 92, 170, BStBl II 1968, 471).
  6. Die angefßhrten Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 FGO brauchen dabei erst im Zeitpunkt der letzten mßndlichen Verhandlung erfßllt zu sein.
  7. Die Klage kann also in die Zulässigkeit hineinwachsen (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1981 I R 89/80, BFHE 134, 245, BStBl II 1982, 150).
  8. Liegt zunächst ein zureichender Grund vor, muss die BehÜrde sicherstellen, dass sie vom Wegfall dieses Grundes erfährt, damit sie innerhalb angemessener Frist entscheiden kann.
  9. Im Übrigen muss sie das in ihrer Macht Stehende tun, den Grund zu beseitigen. Sie muss alle Möglichkeiten ausschöpfen, die dazu beitragen, dass das Vorverfahren abgeschlossen werden kann (BFH-Beschluss vom 13. Mai 1971 V B 61/70, BFHE 102, 31, BStBl II 1971, 492).
  10. Fällt der zureichende Grund weg, beginnt nicht etwa die Sechsmonatsfrist von Neuem zu laufen (BFH-Beschluss vom 22. September 1967 VI B 19/67, BFHE 90, 274, BStBl II 1968, 61), sondern es verbleibt der BehÜrde nur noch eine vom Einzelfall abhängige angemessene Frist, innerhalb welcher zu entscheiden ist.

 

Die Untätigkeitsklage im vorliegenden Verfahren ist zulässig, denn die der Klägerin mitgeteilten Grßnde, weshalb keine Einspruchsentscheidung ergehen konnte, sind vor Klageerhebung entfallen.

Auch ist die Klage begründet, denn der Beklagte durfte den Änderungsbescheid vom 26. September 2017 über die Feststellung der nach DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte für 2010 nicht mehr erlassen, da zu diesem Zeitpunkt bereits Feststellungsverjährung eingetreten war.

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist ein nach Ablauf der Festsetzungsfrist bzw. Feststellungsfrist bekanntgegebener Steuerbescheid zwar rechtswidrig, aber rechtlich existent und nicht nichtig i.S.v. § 125 AO (BFH-Urteil vom 3. März 2011 III R 45/08, BFHE 233, 6, BStBl II 2011, 673 m.w.N.). Daher ist der Änderungsbescheid vom 26. September 2017 nur rechtswidrig.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da das Verfahren beim BFH (I R 19/24) anhängig ist.

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