Vorsteuerabzug der Muttergesellschaft

Der EuGH hat sich mit Urteil vom 3. Juli 2025 (C‑808/23) zur Auslegung von Art. 72 und 80 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) geäußert. Im Fokus stand die Frage, ob es sich bei Dienstleistungen, die eine Muttergesellschaft an ihre Tochtergesellschaften erbringt, immer um dem Konzern eigene Dienstleistungen handelt, deren Normalwert nicht durch einen Vergleich, wie er in Art. 72 S. 1 MwStSystRL vorgesehen ist, bestimmbar ist.

Sachverhalt

Die Högkullen AB ist Muttergesellschaft eines Immobilienverwaltungskonzerns. Sie erbrachte im Jahr 2016 Dienstleistungen für die Tochtergesellschaften für die sie insgesamt 2,3 Mio Schwedische Kronen (SEK) in Rechnung stellte und dafür die Mehrwertsteuer auswies. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 28 Mio. SEK. Högkullen brachte die gesamte Vorsteuer für die von ihr getragenen Kosten, für die ihr Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt worden war, zum Abzug.

Die Finanzbehörde ist der Auffassung, dass für die von Högkullen erbrachten Dienstleistungen ein Preis unter dem Normalwert in Rechnung gestellt wurde. Da es ihrer Ansicht nach keine vergleichbaren auf dem freien Markt angebotenen Dienstleistungen gab, legte sie die Steuerbemessungsgrundlage auf einen Betrag fest, der sämtlichen von der Högkullen im Jahr 2016 getragenen Kosten entsprach.

Das Oberverwaltungsgericht Göteburg hatte die Entscheidung der Finanzbehörde über die Neubewertung der Steuerbemessungsgrundlage von Högkullen bestätigt. Danach legte diese beim Obersten Verwaltungsgericht Schwedens Rechtsmittel ein.

Streitig ist, was unter dem „Normalwert“ zu verstehen ist. Högkullen ist der Ansicht, dass die verschiedenen von einer Muttergesellschaft für ihre Tochtergesellschaften erbrachten Dienstleistungen jede für sich beurteilt werden müssen und dass auf dem freien Markt entsprechende Dienstleistungen zu erhalten sind. Die Finanzbehörde meint hingegen, dass die aktive Verwaltung der Tochtergesellschaften durch die Muttergesellschaft eine einzige zusammenhängende Dienstleistung ist, die auf dem freien Markt keine Entsprechung findet. Daher könne der Normalwert nicht nach Art. 72 S. 1 MwStSystRL bestimmt werden, sondern müsse nach S. 2 erfolgen.

Entscheidung

Die von Högkullen für ihre Tochtergesellschaften erbrachten Dienstleistungen waren insbesondere Dienstleistungen in den Bereichen Unternehmensführung, Wirtschaft, Immobilienverwaltung, Investitionen, IT und Personalverwaltung. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass solche Dienstleistungen grundsätzlich so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftlich untrennbare Leistung und damit eine einheitliche Leistung bilden. Diese Dienstleistungen haben selbst wenn sie zusammen erbracht werden, offenbar jeweils einen eigenen und erkennbaren Charakter. Auch kann die Tatsache, dass von jeder der Tochtergesellschaften für alle an sie von Högkullen erbrachten Leistungen ein Gesamtpreis an die Muttergesellschaft gezahlt wird, bei konzerninternen Leistungen nicht entscheidend sein, da es andernfalls der Konzern selbst in der Hand hätte, durch die vereinbarten Zahlungsmodalitäten die mehrwertsteuerrechtliche Beurteilung der Leistungen zu beeinflussen

Fazit

Die Art. 72 und 80 MwStSystRL sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass die Finanzbehörde die von einer Muttergesellschaft im Rahmen der aktiven Verwaltung ihrer Tochtergesellschaften für diese erbrachten Dienstleistungen in allen Fällen als einheitliche, die Bestimmung ihres Normalwerts nach der in Art. 72 S. 1 MwStSystRL vorgesehenen Vergleichsmethode ausschließende Leistung ansieht.

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