Neue Entwicklungen bei der Besteuerung des Kunsthandels – einschließlich Sammlungsgegenständen wie Oldtimern und anderen gebrauchten Gegenständen
Differenzbesteuerung und ermäßigter Steuersatz
Nach einem langwierigen Prozess mit zweifacher Vorlage an den EuGH (C-264/17; C-180/22) hat der BFH am 22. November 2023 (XI R 22/23 (XI R 2/20)) nun über die Differenzbesteuerung mit einem vorangegangenen innergemeinschaftlichen Erwerb entschieden. Der EuGH hat mit seinen Urteilen Mensing I und II für eine vielfach kritisierte Auslegung der Richtlinie über das Mehrwertsteuersystem bei der Differenzbesteuerung gesorgt.
Außerdem ist durch eine Anpassung der Richtlinie die Möglichkeit der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf den gewerblichen Kunsthandel (wieder) eröffnet worden. Welche Möglichkeiten stehen der Bundesregierung nun offen?
- Gerichtsentscheidung zur Differenzbesteuerung
Sachverhalt und Entscheidung
Der Kläger war ein deutscher Kunsthändler mit mehreren Galerien, welcher auch Kunstgegenstände aus anderen EU-Mitgliedstaaten erwarb. Diese wurden von den Künstlern als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt, wobei der Kunsthändler sie wiederum als steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe mit dem ermäßigten Steuersatz von 7% besteuerte. Der Kläger machte anschließend geltend, dass der Ausschluss der Differenzbesteuerung bei vorangegangenem innergemeinschaftlichem Erwerb nach § 25a Abs. 7 Nr. 1a UStG unionsrechtswidrig sei und wandte die Differenzbesteuerung auf seine Umsätze an.
Das FG Münster legte den Sachverhalt dem EuGH ein erstes Mal zur Vorabentscheidung vor, welcher dann in seinem Urteil Mensing I Folgendes entschied:
- Die Differenzbesteuerung ist auch auf Umsätze anzuwenden, welche im Rahmen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung erworben wurden. Der Vorsteuerabzug wird hier jedoch versagt.
Das FG Münster wertete dies so, dass die gezahlte Erwerbsteuer die Marge mindert. Die Umsatzsteuer im Rahmen der Differenzbesteuerung fällt also geringer aus. Diese Ansicht teilte das Finanzamt nicht und der Fall ging in Revision an den BFH. Der BFH rief ein zweites Mal den EuGH an und fragte, inwieweit sich die gezahlte Erwerbsteuer auf die zu besteuernde Marge auswirkt.
Der EuGH äußerte sich in seiner Entscheidung Mensing II wie folgt dazu:
- Die anfallende Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb ist nicht Teil des Einkaufspreises im Sinne der MwStSystRL, der für die Berechnung der Marge verwendet wird. Demnach besteht laut dem EuGH kein Anlass, den Betrag dieser Steuer von der Steuerbemessungsgrundlage der späteren Lieferung auszunehmen.
Die Marge wird ermittelt, indem der Einkaufspreis vom Verkaufspreis abgezogen wird. Die Umsatzsteuer aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb entsteht getrennt vom Einkauf oder Verkauf; die Steuer geht laut EuGH an einen Dritten und nicht als Preisbestandteil an den Lieferer. Deswegen verringert sie laut EuGH die Marge nicht. Das ist aus Sicht des Steuerpflichtigen nachteilig gegenüber der von ihm mit der Klage verfolgten Ansicht. Es stellt innergemeinschaftliche Erwerbe differenzbesteuerter Gegenstände auch schlechter, als wenn sie aus dem Drittland oder im Inland erworben werden. Der EuGH meint jedoch, der Wortlaut der Richtlinie sei eindeutig und lasse keine andere Auslegung zu.
Einordnung
Dieses Gerichtsverfahren bestätigt, dass die nationale Regelung der Differenzbesteuerung § 25a UStG unionsrechtswidrig ist und einer Änderung bedarf. Anders als im UStG geregelt, schließen sich innergemeinschaftlicher Erwerb und Differenzbesteuerung nicht aus. Die Entscheidung des EuGH, dass die gezahlte Erwerbsteuer die Marge nicht mindert, wirft jedoch Fragen auf.
Einem Wiederverkäufer steht im Rahmen der Differenzbesteuerung auf gezahlte Umsatzsteuer bei der Einfuhr oder Lieferung der Kunstgegenstände kein Vorsteuerabzug zu.
Hier kann es zu einer „Steuer auf die Erwerbsteuer“ kommen, weil die Marge ungeschmälert besteuert wird und nach Auffassung der Kritiker die Erwerbsteuer, die in der Marge nach dieser Auffassung enthalten ist, mit Umsatzsteuer belastet wird.
Die vom Wiederverkäufer zu zahlende Steuer muss auf den Endverbraucher übergewälzt werden. Das führt zu einer Preiserhöhung. Die Anwendung der Differenzbesteuerung erhöht so den Preis – oder mindert den Gewinn des Wiederverkäufers, wenn das Preisniveau eine Erhöhung nicht zulässt.
Der BFH nennt dies selbst explizit „systemwidrig“ und führt aus, dass mögliche Billigkeitsmaßnahmen zum Schutz vor ungünstigen, durch den Gesetzgeber bewusst angeordnet oder billigend in Kauf genommenen Rechtsfolgen denkbar sind. Der EuGH hätte mit anderer vorangegangener Rechtsprechung die Möglichkeit dafür geschaffen.
Es bleibt hier im Rahmen der Folgeentscheidung des FG Münster abzuwarten, ob und wie das Gericht diese Fingerzeige umsetzt bzw. umsetzen kann.
Berater und Wiederverkäufer sind dazu angehalten, die beiden Möglichkeiten der Differenzbesteuerung und Regelbesteuerung bei vorangegangenem innergemeinschaftlichem Erwerb gegeneinander abzuwägen. Die Anwendung der Differenzbesteuerung, die sonst meist die günstigere Variante darstellt, kann hier nämlich durch die Behandlung der Erwerbsteuer in Bezug auf den Einkaufspreis nachteilig sein. Falls der Verkaufspreis bereits feststeht, ist im Zweifel zu ermitteln, welche Variante dem Verkäufer am meisten Gewinn bringt. Solange die deutsche Gesetzeslage noch bestehen bleibt, darf der Steuerpflichtige sie anwenden, sofern sie für ihn günstiger ist. Für die Vergangenheit ist zu überprüfen, ob Unternehmer die Umsatzsteuer berichtigen müssen, die sie bei Anwendung der Differenzbesteuerung ermittelt haben.
- Änderung der Richtlinie
Mit der Richtlinie 2022/542 vom 5. April 2022 hat die EU den Mitgliedstaaten Spielraum für die Gesetzgebung im Bereich des ermäßigten Steuersatzes geschaffen. Dies betrifft auch den gewerblichen Kunsthandel, welcher national seit 2014 von der Ermäßigung ausgenommen ist.
Momentane rechtliche Lage
Nach aktuellem Rechtsstand unterliegen nur solche Umsätze mit Kunstgegenständen dem ermäßigten Steuersatz, die nicht von Wiederverkäufern getätigt werden. Demnach fallen Galerien oder auch andere gewerbliche Händler, die den An- und Verkauf von Kunstgegenständen betreiben, aus der Ermäßigung heraus. Lediglich Künstler in der Rolle des Urhebers (und dessen Erben etc.) profitieren momentan von der Ermäßigung.
Möglichkeit durch Richtlinienänderung
Aufgrund der Richtlinienänderung darf die Bundesregierung ab dem 1. Januar 2025 jede Lieferung von Kunstgegenständen, Sammlerstücken und Antiquitäten dem ermäßigten Steuersatz unterwerfen (nicht nur die durch den Urheber).
Frankreich hat diese Möglichkeit schon genutzt und besteuert künftig die Lieferungen besagter Gegenstände mit dem ermäßigten Steuersatz in Höhe von 5,5%.
Ob die deutsche Bundesregierung diese Option ebenfalls wahrnehmen wird, bleibt abzuwarten. Branchenverbände engagieren sich hierfür und verweisen dafür auf den Koalitionsvertrag.