Differenzbesteuerung bei Oldtimer-Veräußerung

FG-Entscheidung

Das FG Baden-Württemberg hat mit Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2023 (1 K 1651/20) über die Anwendung der Differenzbesteuerung bei der Veräußerung von Oldtimern entschieden. Fraglich war, ob die Differenzbesteuerung nach einem innergemeinschaftlichen Erwerb der Oldtimer noch anwendbar war.

Sachverhalt

Der Kläger war ein Oldtimerhändler, der im Rahmen seiner Tätigkeit zwei Oldtimer von einem Unternehmer aus Großbritannien erwarb. Dies geschah vor dem Brexit im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Die Oldtimer lieferte er in Deutschland an Privatkunden unter Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG weiter.

Einer der beiden Oldtimer war von einer Privatperson aus der Schweiz an den britischen Unternehmer verkauft worden; es fiel britische Einfuhrumsatzsteuer zu einem Steuersatz von 5% an. Als der britische Unternehmer den Oldtimer an den Kläger lieferte, deklarierte er keine Umsatzsteuer und wies in der Rechnung nicht auf Differenzbesteuerung oder auf eine innergemeinschaftliche Lieferung hin. Es wurde nach Angaben des Klägers die gezahlte Einfuhrumsatzsteuer mitberechnet (aber nicht gesondert ausgewiesen).

Der andere Oldtimer wurde von einer Privatperson aus den USA an den britischen Unternehmer verkauft; auch dabei fiel 5%ige Einfuhrumsatzsteuer an. Bei der Weiterlieferung an den Kläger wurde die Rechnung genauso gestaltet wie bei dem ersten Oldtimer.

Nach Einschätzung des Finanzamtes hatte der Kläger beide Oldtimer jeweils im Rahmen eines steuerfreien innergemeinschaftlichen Erwerbes bezogen, sodass auf seine Lieferungen an die Privatkunden die Differenzbesteuerung nicht anwendbar sei.

Nach britischem Recht ist es für die Anwendung der Differenzbesteuerung zusätzlich notwendig, dass die Fahrzeuge in ein besonderes Verzeichnis eingetragen werden. Dies ist bei beiden Oldtimern nicht erfolgt.

Entscheidung und Gründe

Das Gericht entschied zugunsten des Finanzamts und hielt die Differenzbesteuerung für nicht anwendbar. Die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung nach § 25a Abs. 1 UStG sind:

  1. Der Unternehmer ist Wiederverkäufer.
  2. Die Gegenstände wurden im Gemeinschaftsgebiet geliefert.
  3. Für die Lieferung wird keine Umsatzsteuer geschuldet – oder – Umsatzsteuer wurde nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben – oder – Differenzbesteuerung wurde vorher angewandt.
  4. Ausnahmsweise dürfen, bei entsprechender Erklärung des Wiederverkäufers, von diesem selbst aus dem Drittland eingeführte Oldtimer im Wege der Differenzbesteuerung weitergeliefert werden. (Achtung: Dies gilt in Deutschland jedenfalls noch bis Ende 2024. Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 sieht wesentliche Änderungen vor. Mehr dazu in unserem Kfz-Workshop.)

Die ersten beiden Voraussetzungen sind in dem entschiedenen Fall erfüllt.

Die dritte Voraussetzung bereitet jedoch Probleme, weil bei der Lieferung des britischen Unternehmers an den Oldtimerhändler entgegen § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b UStG nicht die Differenzbesteuerung angewendet wurde. Die Lieferung sei nämlich als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung anzusehen.

Der britische Unternehmer sei darüber hinaus nicht zur Anwendung der Differenzbesteuerung berechtigt gewesen. Die Oldtimer waren nicht in das besondere Verzeichnis eingetragen worden. (In Deutschland muss der Wiederverkäufer gegenüber dem Finanzamt eine Erklärung abgeben, die bestimmte Bedingungen erfüllt.)

Die schriftliche Bestätigung des britischen Unternehmers, dass die Einfuhrumsatzsteuer in Rechnung gestellt, vom Kläger bezahlt und an das britische Finanzamt entrichtet worden ist, reichte nicht als Rechnungshinweis für die Anwendung der Differenzbesteuerung aus.

Einordnung

  1. Nachweis durch Kläger

Der Kläger möchte mit der Differenzbesteuerung eine für ihn günstige Regelung in Anspruch nehmen. Dies hat nach Auffassung des Gerichts zur Folge, dass er den Nachweis erbringen müsse, dass er die Differenzbesteuerung auf seine Lieferung anwenden darf und folglich, dass bei der Vorlieferung an ihn die Differenzbesteuerung angewendet worden ist (und dies ggf. zu Recht).

  1. Anwendung der Differenzbesteuerung – tatsächlich oder rechtmäßig

Die Differenzbesteuerung durfte nach britischem Recht nicht angewendet werden, weil die Oldtimer nicht in das besondere Verzeichnis eingetragen waren. Ob die Differenzbesteuerung allerdings zu Recht angewendet worden sein muss, ist streitig – der BFH hat früher so entschieden; ob dies nach der Rechtsprechung des EuGH („Litdana“) noch haltbar ist, ist fraglich.

  1. Vertrauensschutz

Über die Frage, ob der Kläger darauf vertrauen durfte, dass die Differenzbesteuerung angewendet worden sei, entscheidet das Gericht nicht ausdrücklich; es weist jedoch vorsorglich darauf hin, dass es keinen entsprechenden Rechnungshinweis oder eine andere Bestätigung gegeben habe, die die Anwendung der Differenzbesteuerung nahelegte; das ist vermutlich so zu verstehen, dass nach Überzeugung des Gerichts der Kläger nicht darauf vertrauen durfte, dass hier die Differenzbesteuerung angewendet worden sei. Zu den Pflichten des Unternehmers hinsichtlich Nachforschungen über die Vorlieferung und worauf er vertrauen darf, ist ebenfalls die Rechtsprechung des EuGH („Litdana“) zu berücksichtigen; das FG hat diese nicht weiter erörtert, weil es die Frage des Vertrauensschutzes einem gesonderten Billigkeitsverfahren zurechnet. Ob diese Zuordnung zutrifft, ist streitig und Gegenstand anhängiger Revisionsverfahren.

  1. Kein Kunstgegenstand – keine Relevanz der „Mensing I und II“-Rechtsprechung

Im Falle einer vorangegangenen innergemeinschaftlichen Lieferung ist die Differenzbesteuerung im deutschen Recht nach § 25a Abs. 7 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Das ist unionsrechtswidrig („Mensing I und II“-Rechtsprechung des EuGH und BFH), jedoch nur insoweit Kunstgegenstände betroffen sind. Oldtimer gehören in der Regel zu den Sammlungsstücken und sind keine Kunstgegenstände.

  1. Bedeutung für Unternehmer

Die korrekte Dokumentation und die aufmerksame Rückverfolgung der Lieferkette ist bei der Anwendung der Differenzbesteuerung essenziell, da im Falle einer irrigen Anwendung der Begünstigung hohe Steuerlasten drohen können.

Welche Pflichten der Unternehmer jedoch im Einzelfall hat und auf welche Anhaltspunkte er vertrauen darf, ist Gegenstand anhängiger Klagen und Revisionsverfahren, unter anderem:

  • Wesentlich für Unternehmer ist die Frage, auf welche Angaben des Vorlieferanten sie vertrauen dürfen und ob sie zusätzliche Dokumentationspflichten haben. Fraglich sind sowohl die Wahl des Verfahrens (Billigkeitsantrag bei schutzwürdigem Vertrauen?) als auch die Voraussetzungen gemäß der Litdana-Rechtsprechung des EuGH. Hierzu sind weitere Verfahren beim BFH anhängig, z.B. eine Nichtzulassungsbeschwerde (XI B 38/24; FG MS 5 K 3670/19 U).
  • Das hier geschilderte Verfahren ist in Revision bei dem BFH anhängig (Aktenzeichen: V R 1/24).

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie der Gerichtshof diese Sachverhalte bewerten wird. Er hat die Gelegenheit, Klarheit für die betroffenen Unternehmer zu schaffen.

 

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