Eigene Nachlässigkeit kann zur Haftung bei Steuerbetrug eines anderen führen

EuGH-Urteil

Der EuGH hat mit Urteil vom 12. Dezember 2024 (C-331/23) über die Rechtmäßigkeit belgischer Umsatzsteuerregelungen entschieden, die die gesamtschuldnerische Steuerschuld von Unternehmern bestimmen, die wussten oder hätten erkennen müssen, dass in der nachfolgenden Lieferkette Steuer hinterzogen wird.

Sachverhalt

Die Klägerin war eine belgische Gesellschaft, die im Bereich des Getränkegroß- und -einzelhandels tätig war. Die Gesellschaft hatte im Streitjahr 2011 ein System zur Ausstellung falscher Rechnungen eingerichtet, das die Identität der Kunden verfälschte. Diese Kunden waren steuerpflichtige Unternehmer, meist Betreiber von Hotels oder Restaurants. Die Steuerpflichtigen konnten die erworbenen Güter dann „schwarz“ weiterverkaufen.

Im Rahmen einer Außenprüfung wurde das System von der zuständigen Finanzbehörde aufgedeckt, die belgische Gesellschaft wurde anschließend zu hohen Nachzahlungen verpflichtet. Nach belgischem Recht schuldet ein Steuerpflichtiger die Steuer im Falle eines späteren Steuerbetrugs, wenn er von diesem wusste oder hätte erkennen müssen. Außerdem wird der Vorsteuerabzug verwehrt. Die Gesellschaft war bereits vormals für ein ähnliches Vorgehen verurteilt worden.

Parallel dazu wurde ein weiteres Strafverfahren für die Streitjahre 2012 bis 2014 eröffnet, in dem es insbesondere um Urkundenfälschung ging.

Die belgische Gesellschaft erhob Klage gegen die Nachzahlungen, da sie ihrer Meinung nach nicht für den Betrug anderer Unternehmer haften müsse. Außerdem könnten nicht mehrere Strafverfahren aufgrund eines einzelnen Vergehens gegen sie geführt werden.

Das zuständige Gericht setzte das Verfahren aus und ersuchte den EuGH um Auslegung der streitentscheidenden Normen.

Entscheidung und Gründe

Der EuGH entschied, dass die belgischen Vorschriften unionsrechtskonform sind. Ein Steuerpflichtiger darf gesamtschuldnerisch haften, auch wenn er die Steuer eigentlich nicht schuldet, wenn er von dem späteren Betrug wusste oder hätte wissen müssen. Dafür muss er aber die Möglichkeit besitzen, zu beweisen, dass er alles Nötige dafür getan hat, dass seine Umsätze nicht Teil einer Steuerhinterziehung werden.

Weiterhin darf ihm der Vorsteuerabzug in einer solchen Konstellation verwehrt werden, da dem Steuerpflichtigen, der die Steuer eigentlich schuldet (Betreiber der Hotels etc.), im Falle eines Steuerbetrugs das Recht auf Vorsteuerabzug entzogen wird. Dieses Recht könnte sich dann erst recht nicht auf denjenigen übertragen, der die Steuer gesamtschuldnerisch zahlen muss.

Es werden außerdem nicht mehrere Strafverfahren aufgrund einer einzelnen Straftat gegen die Gesellschaft geführt, da unterschiedliche Steuerzeiträume betroffen sind.

Einordnung

Der EuGH erkennt die belgische Regelung als unionsrechtskonform an, sie verstößt nicht gegen den Grundsatz der Neutralität und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hat der Steuerpflichtige alle Maßnahmen für die Sicherstellung der Rechtmäßigkeit seiner Umsätze durchgeführt, kann er für späteren Steuerbetrug anderer Personen nicht belangt werden. Hat er dies jedoch unterlassen, kann er gesamtschuldnerisch zur Entrichtung der Steuer verpflichtet werden.

In Deutschland gibt es mit dem § 25f UStG eine entsprechende Norm, Teilnehmende unserer Mandantenveranstaltungen werden sich erinnern. Trotz der möglichen Kritik an dieser Regelung müssen sich Unternehmer bewusst machen, dass der EuGH die Haftung für Steuerhinterziehung eines anderen mit diesem Urteil bestätigt hat. Ausreichen hierfür kann eine Mitwisserschaft oder eine Nachlässigkeit, wir beraten Sie gerne, wie Sie sich mit geeigneten Arbeitsprozessen gegen solche Folgen absichern.

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