Einordnung als Einzweck- oder Mehrzweckgutschein und die steuerlichen Folgen
EuGH-Urteil
Der EuGH hat mit Urteil vom 18. April 2024 (C-68/23) über die steuerlichen Eigenschaften und Einordnung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen entschieden. Hier bezog der EuGH Stellung zu den Kriterien für die Einordnung der Gutscheine und äußerte sich zu der Besteuerung von Vermittlungsleistungen in Lieferketten von Mehrzweck-Gutscheinen.
Sachverhalt
Eine deutsche GbR vertrieb Gutscheine, die auf der Website des Online-Store X für den Erwerb digitaler Inhalte verwendet werden konnten.
Der Online-Store X wurde von der britischen X-Gesellschaft betrieben.
Die Gutscheine, welche von Zwischenlieferanten an die GbR geliefert wurden, waren mit einer Länderkennung (hier: DE) versehen. Der Endverbraucher musste laut Nutzungsbedingungen seinen Wohnort in Deutschland haben sowie ein deutsches Nutzerkonto besitzen, um die Gutscheine in Deutschland einlösen zu können.
Die GbR behandelte die vertriebenen Gutscheine als Mehrzweckgutscheine nach § 3 Abs. 15 UStG, da ihrer Ansicht nach der Wohnort der Endverbraucher bei Ausstellung des Gutscheins nicht bekannt war. Als Begründung gab sie an, dass einige ausländische Kunden für preisliche Vorteile wahrheitswidrig angaben, in Deutschland ansässig zu sein. Weiterhin führte sie an, dass die Ausgabe der Gutscheine an die ausländischen Wiederverkäufer zu einer Steuerlast in dem jeweiligen Land führen würde. Dies hätte zur Folge, dass der Steuersatz nicht direkt bei der Ausgabe feststehen würde.
Während einer Betriebsprüfung bewertete das Finanzamt die Gutscheine als Einzweck-Gutscheine, da Deutschland als Leistungsort im Sinne des § 3a Abs. 5 UStG durch die getätigten Angaben bereits feststehe. Wahrheitswidrige Angaben der ausländischen Nutzer würden hier keinen Unterschied in der steuerlichen Behandlung machen.
Nachdem die Klage der GbR abgewiesen wurde, ging der Sachverhalt an den BFH, welcher dem EuGH folgende Fragen zur Beantwortung vorlegte:
- Kann ein Einzweck-Gutschein auch dann vorliegen, wenn dieser zwischen mehreren Unternehmern aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten übertragen wird und aufgrund der Übertragungen fiktive Leistungen in anderen Mitgliedstaaten als dem Staat der tatsächlichen Einlösung angenommen werden?
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- Falls ein Mehrzweck-Gutschein vorliegt, kann der Weiterverkauf dieser Gutscheine der Umsatzsteuer unterliegen?
Entscheidung und Gründe
Der EuGH hat entschieden:
- Vorlagefrage:
Die Einstufung als Einzweck-Gutscheinsetzt voraus, dass der Leistungsort und die geschuldete Umsatzsteuer bereits zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststeht. Ersteres ist hier durch die Angaben der Nutzer gegeben; die wahrheitswidrigen Angaben der ausländischen Nutzer sind unbeachtlich. Letzteres überlässt der EuGH dem BFH zur Entscheidung, da dies durch nationale Vorschriften geregelt ist und der EuGH nur europäisches Recht auslegt.
Es sei aber davon auszugehen, dass die Höhe der anfallenden Umsatzsteuer auch nach deutschem Recht bereits feststehe.
Im vorliegenden Sachverhalt stand der Ort der Leistung an den Endverbraucher aufgrund der Länderkennzeichnung DE zum Zeitpunkt der Ausstellung fest. Somit liegt ungeachtet der vorgeschalteten Übertragungen weiterhin ein Einzweck-Gutschein vor. - Vorlagefrage:
Falls die einlösbaren Leistungen als Mehrzweck-Gutscheine zu behandeln sind, fällt die Umsatzsteuer erst bei Einlösung der Gutscheine für die Leistungen an.
Diese Eigenschaft der Mehrzweck-Gutscheine steht bei Lieferketten nicht der Besteuerung von Vermittlungs-,Vertriebs- oder Absatzförderungsleistungen entgegen. Falls Händler A den Gutschein an Händler B verkauft und für diese Leistung eine Provision erhält, fällt auf die Provision auch dann Umsatzsteuer an, wenn es sich um einen Mehrzweck-Gutschein handelt.
Einordnung
Die umsatzsteuerliche Behandlung von Gutscheinen wurde mit der sog. Gutschein-Richtlinie erstmals gesetzlich normiert. Sie war bereits zum 1. Januar 2019 umzusetzen. Die Entscheidung reiht sich in die immer noch wenigen ersten Entscheidungen zu Gutscheinen nach dem „neuen“ Recht ein und klärt wichtige Grundsätze. Der EuGH bestätigt -- erwartbar – die Kriterien für die Einstufung als Einzweck- oder Mehrzweckgutschein.
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Die korrekte Einordnung ist essenziell, um die Gutscheine umsatzsteuerlich richtig zu behandeln und Steuern in der vorgeschriebenen Höhe abzuführen.
Der Verkäufer möchte hier erreichen, dass die vertriebenen Gutscheine als Mehrzweckgutscheine behandelt werden, um sich bei dem Handel mit ihnen bis zur Einlösung durch den Endverbraucher von umsatzsteuerlichen Pflichten und einer Umsatzsteuerlast zu befreien. Das ist ihm – vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung der nationalen Gerichte – hier voraussichtlich nicht gelungen. Die Voraussetzungen für einen Einzweck-Gutschein werden erfüllt, wenn der Ort der Leistung sowie der anzuwendende Steuersatz bereits bei Ausgabe feststeht. Dabei kommt es natürlich auf das Leistungsangebot des Partnerunternehmens, das die Gutscheine ursprünglich erstellt hat und bei dem sie gegen eine Leistung einzulösen sind, an, da dieses den Steuersatz bestimmt; es kann auch darauf ankommen, welche weiteren Vereinbarungen zwischen den Beteiligten bestehen. Der Leistungskatalog kann grundsätzlich so ausgestaltet werden, dass die erstellten Gutscheine als Mehrzweckgutscheine einzuordnen sind. Dies wurde hier möglicherweise versäumt.
Berater müssen die Voraussetzungen für die Einstufung der Gutscheine genauestens feststellen, um Steuernachzahlungen durch falsch behandelte Gutscheine zu vermeiden, die auch durch aufwendige Korrekturen möglicherweise nicht mehr aufzufangen sind. Fragen entstehen durch die Gestaltungsfreude und praktische Handhabung der Praxis – sie bedürfen durchweg der kompetenten umsatzsteuerlichen Begleitung.