EuGH: Entschädigungszahlungen für enteignete Grundstücke unterliegen der Umsatzsteuer

Ungewollte Leistungen?

Der EuGH hat am 11. Juli 2024 (C-182/23 - Makowit) über die Umsatzsteuerpflicht von Entschädigungszahlungen nach der Enteignung eines Grundstücks entschieden. Der Gerichtshof wendete Kriterien an, wann bei ungewollten Lieferungen Umsatzsteuer anfällt.

Sachverhalt

Ein Landwirt betrieb als registrierter Steuerpflichtiger eine landwirtschaftliche Milchviehhaltung samt Milcherzeugung. Als Erweiterung für den Betrieb erwarb er 2003 und 2015 weitere Grundstücke, ohne dass auf diesen Erwerb Umsatzsteuer erhoben wurde oder er zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen war. Die polnische Verwaltung entschied im Jahr 2017, einen Teil eines Grundstücks für den Bau von Straßen zu nutzen und enteignete den Landwirt gegen eine Entschädigungszahlung. Die Behörde beantragte anschließend beim polnischen Finanzamt einen Steuerbescheid über diesen Vorgang. Das Finanzamt wertete die Enteignung in Verbindung mit der Entschädigungszahlung als eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung gegen Entgelt. Nachdem der Bescheid erstinstanzlich aufgehoben worden war, weil der Landwirt die Lieferung nicht beabsichtigt habe, ging der Fall an das höchste polnische Gericht, welches wiederum den EuGH um Auslegung der betreffenden Vorschriften anrief.

Das vorlegende Gericht fragte, ob Art. 9 i. V. m. Art. 14 Abs. 2 Buchst. a der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass eine Übertragung von Eigentum im Wege der Enteignung gegen eine Entschädigungszahlung der Umsatzsteuer unterliegt, wenn der Eigentümer als Steuerpflichtiger keinen Immobilienhandel betreibt und diese Eigentumsübertragung nicht beabsichtigt hat.

Entscheidung und Gründe

Damit bei einer Enteignung eine Lieferung von Gegenständen vorliegt und Umsatzsteuer anfällt, müssen laut dem EuGH mehrere Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

  • Es muss eine Übertragung der Eigentumsrechte des betreffenden Gegenstands stattfinden. Das war hier der Fall.
     
  • Die Eigentumsübertragung muss kraft behördlicher Anordnung oder kraft Gesetzes geschehen. Auch das traf hier zu.
     
  • Weiterhin muss eine Entschädigung gezahlt worden sein. Die Zahlung muss durch die Enteignung veranlasst sein. Die gezahlte Entschädigung hing unmittelbar mit der Eigentumsübertragung zusammen.
     
  • Der Landwirt muss als Steuerpflichtiger, also im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, gehandelt haben. Bei einer Enteignung von Grundstücken ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn er die Grundstücke für seine wirtschaftliche Tätigkeit verwendet hat. Das ist bei den betreffenden Grundstücken der Fall gewesen. Sie wurden für den landwirtschaftlichen Betrieb verwendet. Eine Tätigkeit als Immobilienhändler ist nicht notwendig.

Einordnung

Im deutschen Umsatzsteuerrecht ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG die Steuerbarkeit nicht ausgeschlossen, wenn der Umsatz nach gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird. Dies entspricht Art. 14 Abs. 2 Buchst. a) der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie. Die Lieferung eines Gegenstands erfordert keine aktiven Schritte und keine Absicht, wenn die Übertragung der Verfügungsmacht kraft Gesetzes oder behördlicher Anordnung erfolgt. Nur unter diesen Voraussetzungen lässt eine unfreiwillige Übertragung der Verfügungsmacht Umsatzsteuer entstehen. Aus einem Diebstahl wird also auch weiterhin keine Lieferung.

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