Minderung der Bemessungsgrundlage bei Bonuszahlungen von Zentralregulierern an ihre Anschlusskunden

FG Baden-Württemberg Urteil

In seinem Urteil vom 29. Juni 2023 (12 K 705/21) äußerte sich das FG Baden-Württemberg zu einer möglichen Minderung der Bemessungsgrundlage seitens eines Zentralregulierers durch Bonuszahlungen an seine Mitglieder. Dabei wendet das Gericht die Grundsätze der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung an und reiht sich mit dieser Entscheidung in die Rechtsprechungslinie des EuGH und BFH ein. Es widerspricht einer Entscheidung des Finanzgerichts Münster, zu dem bereits eine Revision anhängig ist. 

Sachverhalt

Die Klägerin war eine eingetragene Genossenschaft mit mehreren Mitgliedern ("Anschlusskunden"), die als Zentralregulierer im Bereich der Unterhaltungselektronik unternehmerisch tätig war. Im Streitjahr 2015 erbrachte sie in dieser Funktion laut Urteilstatbestand Leistungen. Diese Leistungen bestanden u.a. darin, Herstellern (ihren "Vertragslieferanten") Mitgliederlisten sowie den Mitgliedern eine Liste mit den Vertragslieferanten mitzuteilen und den Zahlungsverkehr sowie Rechnungsfluss zwischen Vertragslieferanten und Mitgliedern abzuwickeln. Der Urteilstatbestand enthält leider keine präziseren Feststellungen zu den Leistungsbeziehungen und den Inhalten der Leistungen.

Die Vertragslieferanten bewirken Lieferungen an die Anschlusskunden, in die der Zentralregulierer nicht eingeschaltet ist. Die Klägerin verpflichtete sich zu Bonuszahlungen an die Mitglieder, wenn diese Einkäufe bei den Vertragslieferanten tätigten. Die Bonuszahlungen waren der Höhe nach abhängig von dem Einkaufsvolumen der Mitglieder.

Nach einer Außenprüfung begehrte die Klägerin gemäߠ§ 17 UStG eine Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage ihrer Ausgangsleistungen an die Vertragslieferanten aufgrund der Bonuszahlungen an die Mitglieder. Sie hielt diese für Entgeltminderungen an Dritte.

Nachdem das Finanzamt dieser Ansicht nicht zustimmte, hatte das FG Baden-Württemberg über diesen Fall zu entscheiden.

Entscheidung und Gründe

Das Finanzgericht schloss sich der Ansicht des Finanzamts an. Eine Minderung der Bemessungsgrundlage wurde verneint. 

Das FG wendet  konsequent die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (V R 3/12) an, welche nach dem Vorbild des EuGH (C-300/12 „Ibero Tours“ zu Reisebüros) eine Minderung der Bemessungsgrundlage ablehnt, wenn ein Zentralregulierer Preisnachlässe an seine Anschlusskunden für den Bezug von Waren bei Vertragslieferanten des Zentralregulierers gewährt.

Die Bonuszahlungen werden vom Finanzgericht als Entgelt des Zentralreguliers an seine Mitglieder klassifiziert, weil diese durch die Nutzung des Zentralregulierungssystems und den damit verbundenen Käufen bei den Vertragslieferanten sonstige Leistungen gegenüber der Klägerin erbringen würden.

Einordnung

Dieses Urteil kann durchaus als durch die neuere Rechtsprechung von EuGH und BFH vorgezeichnet angesehen werden. Vor einigen Jahren war eine solche Minderung der Bemessungsgrundlage noch möglich, wurde aber durch die oben genannte Entscheidung des BFH verworfen, die auf dem „Ibero Tours“ -Urteil des EuGH beruht.

Zu beachten ist aber, dass das Finanzgericht Münster (15 K 3483/18 U) in einem ähnlichen Fall eine gegensätzliche Auffassung vertreten hat. Die Revision ist anhängig beim BFH unter Az. XI R 6/22.

Auch für den vorliegenden Fall wurde bereits Revision beim BFH (V R 20/23) eingelegt. Die Entscheidung des BFH in beiden Verfahren erwarten wir mit Spannung. Die Einschaltung eines Zentralregulierers ist in allen Branchen, in denen mit Waren gehandelt wird, seit Jahrzehnten ein gängiges Geschäftsmodell, das den Vertrieb und die Lieferketten über mehrere Stufen vereinfacht. Entsprechend hohe Summen werden bewegt und entsprechend gravierende Auswirkungen hat eine Änderung der umsatzsteuerlichen Bewertung. Die Verfahren werden voraussichtlich sehr weitreichende Auswirkungen auf eine Vielzahl von Branchen haben und außer den Zentralregulierern alle Beteiligten in der Lieferkette dazu verpflichten, ihre Handhabung zu überprüfen und zu vereinheitlichen, um Steuerverluste und hohen Korrekturaufwand zu vermeiden.

Die Frage, ob die Anschlusskunden an den Zentralregulierer - hier Mitglieder an ihre Genossenschaft - entgeltliche Leistungen erbringen, bedarf in den betroffenen Sachverhalten jeweils einer individuellen und genauen Betrachtung.

Auf Grundlage unserer Beratungserfahrung in diesem Bereich und der Begleitung entsprechender gerichtlicher Verfahren stehen wir Ihnen bei Fragen jederzeit gerne zur Verfügung.

Ich suche