Nicht krankheitsbedingte Haartransplantationen unterliegen Umsatzsteuer
BFH-Urteil
Der BFH hat mit Urteil vom 25. September 2024 (XI R 17/21) über die Steuerfreiheit von Haartransplantationen entschieden. Zentrales Kriterium ist, ob die Transplantation krankheitsbedingt geschieht oder ob ein ästhetischer Hintergrund besteht. Insbesondere ist dabei auf die Ursache des Haarausfalls abzustellen. Das Urteil ist insbesondere für Ärzte und Erbringer von Heilbehandlungen sowie ästhetischen Eingriffen von Bedeutung.
Sachverhalt
Der Kläger war ein Facharzt für Chirurgie mit einer eigenen Praxis, der sich auf die Behandlung von Haarausfall spezialisiert hatte. Er untersuchte die Patienten auf die jeweilige Erscheinungsform des Haarausfalls und unternahm anschließend Transplantationen von patienteneigenen Haarwurzeln.
Für die Streitjahre 2010 bis 2012 erklärte der Arzt 90 % seiner Umsätze als steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG. Die Finanzverwaltung hingegen ging im Rahmen einer Außenprüfung davon aus, dass lediglich die auf narbige Haarausfälle entfallenden Transplantationen steuerfrei seien, da nur diese Ausprägung als Krankheit i.S.d. Sozialgesetzbuches gilt.
Im ersten Rechtsgang konnte der Kläger zwar durchsetzen, dass die Diagnosetätigkeiten ebenfalls als steuerfrei behandelt wurden. Bei den Transplantationen wurden jedoch weiterhin nur die auf narbigen Haarausfall entfallenden als steuerfreie Umsätze bewertet. Der Fall ging anschließend in Revision an den BFH, welcher über den Fall entschied.
Entscheidung und Gründe
Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies den Fall zur weiteren Verhandlung zurück. Bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH ist einer Haartransplantation sehr wohl ein therapeutischer Zweck zuzuschreiben. Bei hereditärem (erblich bedingtem) und vernarbendem Haarausfall ist typischerweise von behandlungsbedürftigem Haarausfall auszugehen, sodass die Behandlung steuerfrei wäre. Bei androgenetischem Haarausfall („klassischer“ Haarausfall im Alter, ebenfalls erblich bedingt) ist typischerweise eine solche Behandlungsbedürftigkeit nicht anzunehmen, sie kann jedoch durch einen Facharzt bestätigt werden. Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist immer eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen.
Einordnung
Der BFH unterscheidet hier zwischen drei verschiedenen Ursachen für Haarausfall und unterstreicht, dass eine Heilbehandlungsleistung auch dann vorliegen kann, wenn nicht die Krankheit selbst, sondern die Folgen beseitigt werden. Das war zuvor Teil der Argumentation des Finanzgerichts gewesen.
Bei dem androgenetischen Haarausfall muss für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden, pauschale Erklärungen des Arztes sind nicht ausreichend. Diese Bescheinigung ist für jeden einzelnen Patienten einzureichen.
Ist der Grund der Behandlung eine psychische Erkrankung, bedingt durch den Haarausfall, ist die Bescheinigung der Behandlungsbedürftigkeit typischerweise nicht vom Chirurgen einzuholen, sondern von einem zuständigen Facharzt.