Vertretung im ambulanten Notdienst und Blutproben im Auftrag der Polizei sind nicht umsatzsteuerbefreit
FG Münster Urteil
Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil vom 9. Mai 2023 (15 K 1953/20 U) über Vertretungsleistungen im ärztlichen Notfalldienst sowie über die Entnahme von Blutproben durch einen Arzt entschieden. Streitthema war hier, ob diese Leistungen als steuerfrei oder steuerpflichtig zu behandeln sind.
Sachverhalt
Der Kläger in diesem Fall war ein selbstständiger Arzt ohne eigenen Praxisbetrieb. Er vertrat andere Ärzte im hausärztlichen ambulanten Notfalldienst und übernahm alle zusammenhängenden Pflichten sowie die Verantwortung über die ordnungsgemäße Durchführung des Dienstes. Die Heilbehandlungsleistungen ihm Rahmen des Vertretungsdienstes rechnete er entweder per Privatliquidation oder über die zuständige kassenärztliche Vereinigung ab, mit der er zuvor eine Vereinbarung geschlossen hatte. Der vertretene Arzt zahlte ihm für die Vertretung als solche einen Stundenlohn zwischen 20 € und 40 €.
Weiterhin zählten Blutabnahmen für die Polizeibehörde zu seinen Tätigkeiten. Hier ging es speziell um die Feststellung von Alkohol- oder Drogenwerten von festgenommenen Personen, um ihre Haftfähigkeit zu ermitteln. Für die Polizei fertigte er anschließend einen ausführlichen ärztlichen Bericht an.
Der Kläger unterwarf sämtliche Leistungen nicht der Umsatzsteuer und stützte sich hierbei auf § 4 Nr. 14 a) Satz 1 UStG, wonach Heilbehandlungsleistungen steuerbefreit sind. Das Finanzamt jedoch behandelte die von den Ärzten gezahlten Vertretungsentgelte sowie die Blutabnahmen als steuerpflichtig. Die im Rahmen der Vertretung durchgeführten Heilbehandlungsleistungen, welche über die Kassenärztliche Vereinigung oder per Privatliquidation abgerechnet wurden, waren hingegen korrekt als steuerfrei behandelt worden.
Nach Klage des Arztes gegen die Bescheide entschied das Finanzgericht Münster Folgendes:
Entscheidung und Gründe
Das FG Münster stimmte der Ansicht des Finanzamts zu und behandelte sowohl die Vertretung im ärztlichen Notfalldienst als auch die Blutabnahmen als steuerpflichtige Leistungen.
Dabei hat das FG folgende Gründe aufgeführt:
Zu der Vertretung des ärztlichen Notfalldienstes:
- Die Leistung gegenüber den vertretenen Ärzten besteht in der Übernahme des Dienstes, nicht in den durchgeführten Heilbehandlungen während des übernommenen Dienstes.
- Die im Notdienst erbrachten steuerfreien Heilbehandlungsleistungen sind hier nicht ausschlaggebend. Der vertretene Arzt zahlt hier kein Entgelt für die ärztlichen Leistungen an den Patienten, sondern für die Vertretung seines Dienstes. Die Vertretung schafft zwar die Voraussetzungen für steuerfreie Heilbehandlungen, bildet diese aber nicht direkt ab und ist demnach getrennt zu betrachten.
- Die Vertretungsleistung und die Heilleistungen innerhalb der Vertretung bilden auch keine einheitliche Leistung.
Zu der Entnahme von Blutproben:
- Wenn die Leistung nicht direkt dem Schutz, der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit dient, sondern in der Erstellung eines Gutachtens liegt, ist sie nicht steuerfrei.
- Die Leistung ist hier die Erstellung des Gutachtens im Auftrag der Polizei, um Alkohol- oder Drogenwerte im Blut der Untersuchten festzustellen. Es steht nicht die menschliche Gesundheit der Probanden im Vordergrund. Die Befreiung ist hier nicht einschlägig.
Einordnung
Um die Befreiung in Anspruch nehmen zu können, ist zum einen eine Heilbehandlungsleistung notwendig. Nach EuGH-Rechtsprechung sind Heilbehandlungen „Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden“.
Die Leistungen müssen also dem Schutz der Gesundheit dienen, wobei es hier unerheblich ist, auf welche Art und Weise sie das tun (Diagnose, Operation etc.).
Zum anderen muss der Ausführende auch eine gewisse berufliche Befähigung besitzen, um diese Heilbehandlungen ausführen zu können (z.B. Arzt, Physiotherapeut etc.).
Das FG weicht hier von der bisherigen Rechtsprechung ab und fasst die Voraussetzungen der Befreiungsnorm vergleichsweise eng. Ärzten, die gegen Entgelt den Notdienst übernehmen, wurde somit der Anspruch auf etwaige Steuerbefreiungen verwehrt. Auch die 2020 eingeführte Erweiterung der Steuerbefreiung um „die eng mit der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens verbundenen Leistungen“ ist hier nicht einschlägig, da sie sich auf die kassenärztlichen Vereinigungen bezieht.
Der Sachverhalt ist nun in Revision beim BFH (XI R 24/23) anhängig. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie dieser die Situation beurteilen wird und ob er der doch ziemlich strengen Linie des FG Münster folgen wird.