EuGH-Entscheidung zur Steuerschuld bei unbefugtem Steuerausweis durch das eigene Personal
Der EuGH hat mit Urteil vom 30. Januar 2024 (C-442/22) über die Haftung und Steuerschuldnerschaft einer Unternehmerin – hier einer Tankstelle – entschieden, wenn Mitarbeitende eigenmächtig Rechnungen ausstellen und Umsatzsteuer ausweisen. Der EuGH stellt vor allem auf die Einhaltung der geforderten Sorgfalt durch die Unternehmerin ab – bei Nichteinhaltung muss der Unternehmer (Tankstelle) zahlen!
Sachverhalt
Eine Mitarbeiterin einer polnischen Tankstelle stellte über einen Zeitraum von vier Jahren 1.600 Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von ca. 320.000€ aus. Diesen Rechnungen lagen jedoch keine tatsächlichen Lieferungen zugrunde. Die Umsatzsteuerbeträge wurden fiktiv in Rechnung gestellt. Die Rechnungsempfänger verwendeten die Rechnungen gegen eine Provision, um unrichtigerweise einen Vorsteuerabzug zu erhalten. Die Mitarbeiterin verwendete dabei, ohne das Wissen der Tankstellengesellschaft, den Namen und die USt-IdNr. der Gesellschaft. Bei der Gesellschaft wurde im Nachhinein durch die polnische Finanzverwaltung dann auch die Umsatzsteuer festgesetzt. Laut der Finanzverwaltung ermöglichte die nicht wie erforderlich ausgeübte Sorgfalt der Gesellschaft diesen Betrug und die Gefährdung des Steueraufkommens
Entscheidung des EuGH
Der EuGH führte zu diesem Fall Folgendes aus:
- Nur wenn der Unternehmer gutgläubig und die wirkliche Rechnungsausstellerin bekannt ist, schuldet er die Mehrwertsteuer nicht. In diesem Fall schuldet die Ausstellerin die Umsatzsteuer.
- Gutgläubig ist, wer als Unternehmer die zumutbare Sorgfalt an den Tag legt, um das Handeln seiner Mitarbeitenden dahingehend zu überwachen, dass die Daten des Unternehmens nicht für das Ausstellen falscher Rechnungen verwendet werden.
Im vorliegenden Fall entschied der EuGH, dass die erforderliche Sorgfalt nicht gewahrt wurde, da es für die Mitarbeiterin möglich war, außerhalb des kontrollierbaren Rechnungssystems eigenständig Rechnungen auszustellen, ohne dass der Arbeitgeber seine Erlaubnis dafür geben musste. Der Arbeitgeber ist demnach nicht seiner Aufsichts- und Sorgfaltspflicht nachgekommen.
Was bedeutet das?
Als Arbeitgeber muss man demnach überprüfen, ob Mitarbeitende die Möglichkeit haben, selbstständig und ohne Kontrollmöglichkeit durch den Arbeitgeber Rechnungen auszustellen. In einem derartigen Fall kann dem Arbeitgeber das betrügerische Verhalten seines Personals zugerechnet werden, sodass er als Steuerschuldner der unbefugt in Rechnung gestellten Steuer gilt und die Steuern zahlen muss. Das Mittel der Wahl ist eine interne Arbeitsbeschreibung, die Dokumentation einer eindeutigen Regelung über Zuständigkeiten und der Abgleich von internen Kennzahlen (wie Wareneinsatz und Umsatz) – mit anderen Worten ein Tax-Compliance-Management oder IKS (internes Kontrollsystem). Dieses muss und kann an den Bedürfnissen des jeweiligen Unternehmens ausgerichtet werden und hat in jedem Einzelfall einen eigenen Zuschnitt.
Wir unterstützen Sie gerne bei Maßnahmen, die Sie gegen missbräuchliche Verhaltensweisen in Ihrem Unternehmen schützen.