Verfassungsmäßigkeit von Aussetzungszinsen muss vom BVerfG entschieden werden
BFH-Beschluss
Der BFH hat am 8. Mai 2024 dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob der Zinssatz bei der Aussetzung des Verfahrens verfassungsgemäß ist. Nachdem das BVerfG bereits im Jahre 2021 die Höhe der Zinsen auf Steuernachforderungen für verfassungswidrig erklärt hat, steht nun der nächste Zinssatz auf dem Prüfstand.
Sachverhalt
Der Kläger erhob gegen die Veranlagung seiner Einkommensteuer 2012 Einspruch und Klage. Auf Antrag des Klägers setzte das Finanzamt die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids und des Solidaritätszuschlags aus. Nachdem die Klage erfolglos war, setzte das Finanzamt für die Aussetzung der Vollziehung (AdV) für den Zeitraum 2014 bis 2021 Zinsen nach dem gesetzlich festgelegten Zinssatz i.H.v. 0,5 % pro Monat fest.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage beim Finanzgericht. Seiner Auffassung seien die Zinsen der AdV nicht verfassungskonform. Das BVerfG hatte 2021 einen ähnlichen Zinssatz, nämlich den Zinssatz auf Steuerforderungen und -nachzahlungen, für verfassungswidrig erklärt. Dieser wurde dann anschließend vom Gesetzgeber von 0,5 % auf 0,15 % gesenkt, währenddessen andere Zinssätze (einschließlich Aussetzungszinsen) unverändert blieben.
Der Kläger rügte hier eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei verfassungswidrig, dass die Nachzahlungszinsen niedriger seien als die Aussetzungszinsen. Dadurch würde eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vorliegen.
Nachdem die Klage beim FG keinen Erfolg hatte, entschied nun der BFH über den Sachverhalt.
Entscheidung und Gründe
Der BFH entschied, diesen Fall dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass der Zinssatz der AdV verfassungswidrig sei und gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Dem Grunde nach sei er verfassungskonform, jedoch nicht der Höhe nach. Nachdem die Nachzahlungszinsen vermindert wurden, müssten auch die Aussetzungszinsen auf 0,15 % pro Monat abgeändert werden. Ein unterschiedlicher Betrag sei nicht zulässig.
Die Verfassungswidrigkeit sei vor allem durch die strukturelle Niedrigzinsphase begründet, da der Zinssatz in dieser Höhe nicht mehr erforderlich ist, um den durch spätere Zahlung erlangten Liquiditätsvorteil auszugleichen.
Außerdem würden Steuerpflichtige, die die Steuer nach AdV nicht bezahlt haben und Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen nach Entstehen eines Unterschiedsbetrags entrichten müssen, ebenfalls ungleich behandelt.
Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Steuerpflichtigen die Zahlung der Aussetzungszinsen freiwillig durch ihren Antrag veranlassen.
Einordnung
Ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid besitzt keine aufschiebende Wirkung, er führt also nicht dazu, dass man die betreffende Steuer nicht zahlen muss. Im Eilverfahren lässt sich aber die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Die Aussetzung wird gewährt, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids bestehen.
Anschließend werden bei verlorenem Verfahren Zinsen i.H.v. 0,5 % des Streitbetrags pro Monat berechnet, um Liquiditätsvorteile auszugleichen, die durch die Aussetzung entstanden sind. Die Höhe, nicht aber das Bestehen dieser Zinsen wird nun vom BVerfG auf ihre Verfassungskonformität hin untersucht.
Um von dem eventuell positiven Ausgang des Verfahrens profitieren zu können, sollte gegen Bescheide über Aussetzungszinsen Einspruch eingelegt werden. In Anbetracht auf den anhängigen Prozess beim BVerfG kann ein Ruhen des Verfahrens angeregt werden. Abhängig ist der Erfolg dieser Maßnahmen natürlich vom Ergebnis des BVerfG-Verfahrens, welches unter dem Aktenzeichen 1 BvL 8/24 mit Spannung abzuwarten ist.