Wiederholter Verstoß gegen steuerliche Pflichten – Streichung des Steuerpflichtigen aus dem Mehrwertsteuerregister

EuGH-Urteil

Mit seinem Urteil in der Rechtssache Cityland (EuGH, Urteil vom 3. April 2025 – C-164/24) setzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein klares Signal: Eine Streichung aus dem Mehrwertsteuerregister allein aufgrund formeller Verstöße ist unionsrechtswidrig.

Sachverhalt

Das bulgarische Bauunternehmen Cityland wurde nach einer Steuerprüfung im Jahr 2022 wegen mehrfacher Verstöße gegen umsatzsteuerliche Pflichten aus dem bulgarischen Mehrwertsteuerregister gestrichen. Die Verstöße betrafen unter anderem die verspätete Zahlung und Erklärung von Umsatzsteuer in den Jahren 2013 bis 2018. Die bulgarischen Behörden hatten sich dabei auf rein formale Kriterien gestützt – eine in Bulgarien gesetzlich zulässige Praxis.

Die Gesellschaft legte Rechtsmittel ein, unter anderem mit der Begründung, dass die betreffenden Umsatzsteuern mit Kundenstreitigkeiten zusammenhingen. Das zuständige Verwaltungsgericht legte dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinie vor.

Entscheidung des EuGH

Die Mehrwertsteuerrichtlinie enthält keine generelle Ermächtigung für Mitgliedstaaten, eine Streichung aus dem Mehrwertsteuerregister in ihren nationalen Vorschriften vorzusehen. Allerdings sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Maßnahmen zur vollständigen Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Bekämpfung von Steuerbetrug zu ergreifen. Dabei steht ihnen ein gewisser Ermessensspielraum zu, solange sie das Unionsrecht und dessen Grundsätze – insbesondere die Verhältnismäßigkeit und steuerliche Neutralität und Effektivität – wahren.

Eine automatische Streichung aus dem Mehrwertsteuerregister, ohne Prüfung der Art und Schwere des Verstoßes sowie ohne Berücksichtigung milderer Alternativen, verstößt gegen diese Grundsätze. Eine solche Maßnahme kann unverhältnismäßig sein, insbesondere wenn sie zur Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit führt, obwohl weniger einschneidende Sanktionen möglich wären. Ohne eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls lässt sich nicht feststellen, ob die Streichung eine geeignete und angemessene Maßnahme zur Sicherstellung der Steuererhebung darstellt.

Bedeutung für Deutschland - § 27a UStG unter der Lupe

Auch in Deutschland existieren seit dem Jahressteuergesetz 2020 (§ 27a Abs. 1a UStG) Vorschriften zur Begrenzung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.), wenn ernsthafte Anzeichen einer missbräuchlichen Verwendung vorliegen. Das Urteil des EuGH verdeutlicht jedoch:

  • Die Anwendung dieser Vorschriften muss verhältnismäßig sein.
  • Eine Begrenzung oder Aberkennung der USt-IdNr. erfordert eine eingehende Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse.
  • Unklare Begriffe wie „ernsthafte Anzeichen“ bieten zu viel Spielraum und müssen seitens der Finanzverwaltung präzisiert werden.

Einordnung

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs macht deutlich, dass der Ausschluss der Gesellschaft Cityland aus dem Mehrwertsteuersystem auf der Grundlage nationaler Bestimmungen, die mit der Mehrwertsteuerrichtlinie der Europäischen Union nicht vereinbar sind, rechtswidrig erfolgte. Insbesondere stellt eine automatische Abmeldung von der Mehrwertsteuer eine unverhältnismäßige Maßnahme dar, wenn die zuständigen Steuerbehörden weder die spezifische Art der etwaigen Pflichtverletzungen noch das Gesamtverhalten des Steuerpflichtigen hinreichend berücksichtigt haben.

Vor diesem Hintergrund war die Anfechtung der behördlichen Entscheidungen durch Cityland gerechtfertigt. Darüber hinaus kann das EuGH-Urteil dazu beitragen, Unternehmen in der gesamten EU vor unverhältnismäßigen Sanktionen zu schützen, und die Bedeutung eines ausgewogenen Ansatzes bei der Durchsetzung der Mehrwertsteuer im Hinblick auf die Effizienz der Steuererhebung und die Rechte der Steuerpflichtigen unterstreichen.

Es wäre zu begrüßen, wenn das Urteil in der Praxis bedeutet, dass die Finanzämter eher zurückhaltend mit Eingriffen auf Basis des § 27a Abs. 1a UStG umgehen werden. Überschießende Maßnahmen können jedenfalls mit Berufung auf dieses EuGH-Urteil angegriffen werden.

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